Die Tage werden kürzer, die Temperaturen sinken. Während sich die meisten von uns im Moment vor allem auf die Weihnachtszeit freuen und wahrscheinlich nur mit dickem Mantel, Schal und Mütze bewaffnet das Haus verlassen, träumen viele Menschen nur von diesem Luxus.
Für sie bedeutet der Winter nicht, leckeren Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt zu trinken und eingekuschelt auf der Couch einen Serienmarathon zu schauen, nein. Für sie bedeutet der Winter jeden Tag aufs Neue der Kampf um das pure Überleben. Eine Hiobsbotschaft verschärft jetzt die Situation.
Neukölln: Aus für wichtige Unterkunft
„Eine geeignete Immobilie für die Kältehilfe zu finden, ist jedes Jahr wieder schwer“, erklärt Christin Fritzsche, Bereichsleiterin beim Sozialunternehmen Gebewo, gegenüber dem „Tagesspiegel“. Denn Obdachlose gibt es in Berlin viele, nur an geeigneten Räumlichkeiten fehlt es oft. Umso größer war das Glück, als sich ein landeseigenes Gebäude in der Neuköllnische Allee dafür anbot. Das Bürogebäude steht seit dem Sommer leer.
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Wasser und Heizungen laufen und auch die Raumaufteilung seien perfekt für eine Notunterkunft für Obdachlose über die Wintermonate, so Fritzsche. Es böte sich sogar an, einen Gebäudeteil abzutrennen, sodass es über einen separaten Eingang eigene Plätze für obdachlose Frauen und Paare geben könnte. Eine Rarität in Berlin.
Investor sorgt für Aufsehen
Seit Juli wird an dem Konzept gearbeitet. Ein Team wurde aufgestellt, die Ausstattung bereitgestellt und Planungen für kleinere Brandschutzumbauten angefertigt. Doch dann machte ein Investor einen Strich durch die Rechnung. Denn „vom Bauamt haben wir die Auflage bekommen, dass die Nachbarschaft zustimmen muss“, erzählt Fritzsche.
Zwar gibt es in dem Gewerbegebiet in Neukölln keine direkten Anwohner, dafür aber fünf ansässige Unternehmen. Vier stimmten dem Plan zu, einer lehnte allerdings ab: die Klingsöhr-Gruppe. Sie hat direkt gegenüber von der möglichen Unterkunft 2023 ein Bürogebäude fertiggestellt, in dem noch händeringend Mieter gesucht werden. Aus Sicht von Unternehmenschef Stefan Klingsöhr könnte eine Obdachlosenunterkunft darauf allerdings schlechte Auswirkungen haben. Das habe er mehrfach signalisiert, so Fritzsche.
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Und das, obwohl die Unterkunft in Neukölln nur in den Wintermonaten in den Nachtstunden geöffnet hätte. Damit auch dann alles glatt läuft, hat die Gewebo sogar extra einen Sicherheitsdienst engagiert. Dessen einzige Aufgabe: Dafür zu sorgen, dass obdachlose Menschen sich nicht auf der anderen Straßenseite aufhalten, so das Blatt.
Doch für Klingsöhr steht die Entscheidung derzeit fest. Eine Bitte um Stellungnahme durch den „Tagesspiegel“ blieb bislang unbeantwortet. Für etwa 100 Wohnungslose, die in der Unterkunft Platz und vor allem Wärme gefunden hätten, eine bittere Nachricht. Sie müssen jetzt während der kalten Wintermonate auf der Straße leben.