Eigentlich kaum zu glauben, dass Friedrich Merz wirklich Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden möchte. Sollte das klappen, müsste er seinen Lebensmittelpunkt nämlich wohl endgültig aus dem Sauerland nach Berlin verlegen.
Berlin. Eine Stadt, die Friedrich Merz zu verabscheuen scheint und dennoch nicht aufhören kann von ihr zu reden. Sie und offenbar insbesondere der Stadtteil Kreuzberg, seien nicht Deutschland, rief Merz am Montag gleich doppelt in ein bayerisches Bierzelt. Um im örtlichen Duktus zu bleiben: So ein Schmarren!
Natürlich sind auch Berlin und Kreuzberg Deutschland
Natürlich weiß Friedrich Merz, dass Berlin und Kreuzberg auch Deutschland sind. Nur eine Handvoll Reichsbürger würden das wohl anzweifeln. Und das ist der CDU-Vorsitzende selbstverständlich nicht. Stattdessen will er Berlin und vor allem Kreuzberg immer wieder als abschreckendes Beispiel nutzen. So wie bei einer Rede im thüringischen Apolda im Jahr 2020 – oder vor einigen Tagen in einem Tweet.
Auch interessant: Miete in Berlin: Stellt sich der Senat gegen den Bürgerwillen? „Schlag ins Gesicht“
Doch als abschreckendes Beispiel wofür eigentlich? Für ein geschäftiges Leben in der Großstadt? Für den Wunsch nach klimafreundlicher Mobilität? Für einen hohen Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund? Zumindest letzteres sagt Merz nicht wörtlich.
Dabei gibt es gute Gründe, stolz auf Berlin, stolz auf Kreuzberg zu sein – und darauf, dass diese Stadt und dieser Stadtteil zu Deutschland gehören. In Berlin gibt es alles, was Menschen suchen. Es gibt pulsierendes Leben, es gibt abgeschiedene Ruhe. Selbst Kreuzberg mit einer Bevölkerungsdichte von fast 15.000 Einwohnern pro Quadratkilometer hat ruhige Ecken zum Entspannen.
Berlin wird geschätzt – außer von Friedrich Merz
Berlin ist ein Schmelztiegel, Kreuzberg eines der besten Beispiele dafür. Menschen können hier wie an kaum einem anderen Ort in Deutschland so sein, wie sie wollen. Sie können hier Gözleme essen, oder Bockwurst – aus Schwein oder aus Erbse. Sie können im Fetisch-Club feiern oder in den Biergarten gehen. Hier fahren Bahnen die ganze Nacht, Supermärkte öffnen bis spät in den Abend, Spätis als sozialer Treffpunkt noch darüber hinaus. Die Stadt ist reich an Geschichte – verbindet Altes mit Neuem. Viele Berliner schätzen das – und Touristen aus aller Welt.
Mehr Nachrichten aus Berlin:
Friedrich Merz scheint das alles nicht zu interessieren. Er beißt sich an (vermeintlichen) Problemen Berlins fest und gemeindet die Hauptstadt einfach rhetorisch aus. Eine peinliche Aktion. Sollte man doch von einem potenziellen Kanzler erwarten können, dass er ein Publikum begeistern kann, ohne dabei knapp vier Millionen Menschen abzusprechen, ebenfalls Teil des Landes zu sein.