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Polizei: Fälle von Machtmissbrauch – Experte: So sollte die Politik durchgreifen

Die Polizei ist meist eine geschlossene Einheit. Interna dringen nur selten nach außen. Ein Experte packt jetzt aus.

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© imago images/Bernd März

Sie rücken im Ernstfall an: Das ist das SEK

In Extremsituationen ruft die Polizei das SEK als Verstärkung. Was die Aufgaben des Kommandos sind erfährst du im Video.

Die Bilder vom AfD-Parteitag in Riesa (11./12. Januar) machten bundesweit Schlagzeilen. Dabei im Fokus: das Verhalten der Polizei gegenüber zahlreichen Demonstrierenden. Videos zeigen, wie heftig Beamte gegen sie vorgingen, allen voran auch gegen den Linken-Politiker Nam Duy Nguyen.

Doch das ist kein Einzelfall. Polizeigewalt ist in Deutschland nicht mehr selten, sie wird aus Sicht von Mohamed Amjahid sogar strukturell begünstigt. Der Autor und Investigativ-Journalist hat die Polizei jahrelang untersucht, mit Insidern gesprochen und kommt im Rahmen seines Buch „Alles nur Einzelfälle? Das System hinter der Polizeigewalt“ (Piper Verlag, 18 Euro, Paperback) zu erschreckenden Ergebnissen.

AfD-Parteitag ist nur ein Beispiel

Nam Duy Nguyen war als parlamentarischer Beobachter im sächsischen Riesa. Als Abgeordneter im dortigen Landtag hat er das Recht, bei Versammlungen das Verhalten der Exekutiven und damit der Polizei zu beobachten, zu dokumentieren und zu kontrollieren. Beim AfD-Parteitag endete das für ihn mit einem Schlag ins Gesicht, der ihn bewusstlos machte. Es ist nur ein Fall von vielen, der zeigt: Polizisten haben sich nicht immer im Griff. Und nach Recherchen von Mohamed Amjahid begünstigt das System sie dabei.


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Mohamed Amjahid: „Eigentlich ist die Polizei gesetzlich dazu angehalten, immer das mildeste Mittel zu nutzen und das Gewaltmonopol verhältnismäßig umzusetzen, aber zu viele Polizist*innen machen das nicht.“ Durch Handyvideos von unzähligen Demonstrationen werde das mittlerweile in der Öffentlichkeit immer sichtbarer. Doch woher kommt dieses aggressive Vorgehen?

Laut dem Autor haben Forscher aus Hamburg, Berlin und Frankfurt am Main dafür untersucht, welche Persönlichkeitszüge Menschen dafür begünstigen, eine Karriere bei der Polizei anzustreben. Das Ergebnis: „Menschen, die ein eher wertkonservatives Weltbild haben, gehen eher zur Polizei als jemand, der mal bei der Antifa war.“

„Ein Grundpfeiler der Polizei-Kultur“

Zwei weitere Komponenten könnten dann letztendlich dazu führen, dass es zu Polizeigewalt komme. Einerseits fuße diese teilweise auf einer überbordenden Männlichkeit. „Also ein breitbeiniges Auftreten, das laut und bedrohlich ist. Diese Charakterzüge spielen in die Art und Weise, wie einige Polizisten ticken, mit rein.“

Die zweite Komponente ist der sogenannte Korpsgeist, erklärt Amjahid. „Polizisten lernen schon in der Ausbildung, dass sie sich immer aufeinander verlassen können müssen. Das gilt eigentlich für Gefahrensituationen, spiegelt sich aber auch vor Gericht wider, wenn ein Polizist gegen seinen Kollegen aussagen soll.“ Das Problem dabei: „Es hat sich laut verschiedenen Studien eine Art Parallelgesellschaft aufgebaut, in der gilt: ‚Egal, was der Kollege macht, ob er sich zum Beispiel in rechten Kreisen aufhält oder illegal Personendaten abschöpft, wir verpfeifen ihn als Kollegium nicht.‘ Das ist ein Grundpfeiler der Polizei-Kultur.“

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Für sein Buch hat Mohamed Amjahid mit zahlreichen Experten und Polizei-Insidern gesprochen. Credit: Piper Verlag

Der lange Arm des Systems

Unterstützt wird dieses System zusätzlich durch die fehlende übergeordnete Instanz. Wenn jemand Opfer von Polizeigewalt wird, muss er diese bei der Polizei – und damit den Kollegen des mutmaßlichen Täters – anzeigen. Laut dem Experten machen das aber nur die Wenigsten. Vor allem aus Angst, dass diese Anzeigen nicht richtig verfolgt würden.

Das spiegele sich auch in offiziellen Zahlen wieder: Von den wenigen Fällen, die angezeigt würden, landen letztlich nur zwei Prozent der Fälle vor Gericht, wovon wiederum nur ein Prozent mit einer Verurteilung enden. Amjahid resümiert: „Das ist extrem wenig.“ Allerdings werde dabei die Dunkelziffer nicht mit einberechnet. Er betont: Passieren könne das letzten Endes jedem und überall. „Jede Bevölkerungsgruppe ist betroffen.“


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Zwar gäbe es immer wieder Polizisten, die am Vorgehen der Kollegen Kritik äußern, daraufhin aber ein schweres Standing in der Einheit hätten. Sie müssten laut seinen Recherchen sogar mit Sanktionen wie Versetzungen rechnen. „Viele trauen sich deshalb nicht, etwas zu sagen, weder intern noch extern.“

Doch welche Optionen bleiben da noch, um für mehr Transparenz und Rechtsstaatlichkeit zu sorgen? Laut Amjahid gebe es viele Möglichkeiten, mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen. Zum Beispiel Bodycams, aber auch Polizeiquittungen, die nach einer Kontrolle ausgestellt werden. Doch am sinnvollsten wäre aus Sicht des Experten „eine neutrale Oberpolizei, die bei Machtmissbrauch ermittelt. Das gibt es zum Beispiel bereits in Irland und Dänemark. Diese Behörden haben Akteneinsicht und können so mit vollen Ressourcen ermitteln“ und Fälle ergebnisoffen aufklären – zum wirklichen Schutze der Bevölkerung.

Transparenzhinweis: Dieser Artikel wurde nachträglich redaktionell überarbeitet.