Klartext bei „hart aber fair“: Der Ökonom Professor Marcel Fratzscher zeichnet ein verheerendes Bild vom Zustand des Landes. Genauer: Von machen Regionen Deutschlands. In der ARD-Talkshow sieht er ein Nord-Süd-Gefälle und enorme Herausforderungen auf die Politik zukommen. „Die Infrastruktur in Deutschland ist miserabel“, so sein Urteil im Gespräch mit Moderator Louis Klamroth.
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Doch der Scholz-Ampel allein ist das nicht allein anzulasten. Nach Fratzscher lebe der deutsche Staat schon seit einem Vierteljahrhundert von der Substanz.
Wertverfall der deutschen Industrie seit dem Jahr 2000
„Seit 2000 investiert der Staat weniger als der Wertverfall. Das Perfide dabei ist, dass die Kosten exponentiell steigen. Wenn sie eine Brücke zwei Jahre nicht reparieren, dann steigen die Kosten vielleicht ein bisschen, aber irgendwann können sie die Brücke nur noch abreißen oder sie ist gar nicht mehr verfügbar“, stellt der Wirtschaftsexperte fest.
Er wirft der Politik vor, lieber in populärere Maßnahmen wie Steuersenkungen oder neue Sozialleistungen investiert zu haben, statt in Steine, Beton, Stahl – und Glasfasern. Denn dazu komme noch, dass Deutschland auch den Ausbau der digitalen Infrastruktur verpennt hat.
Ökonom Fratzscher bei „hart aber fair“: Im Süden sieht die Lage noch besser aus
So steckt das Land nun in einem Dilemma. Rund 30 Prozent aller Kommunen seien überschuldet, viele Städte haben zudem bei ihren Bauverwaltungen eingespart – und haben damit an Handlungsfähigkeit eingebüßt. Fratzscher spricht bei „hart aber fair“ von einem „riesigen kommunalen Problem“. Doch darüber hinaus erkennt der Ökonom auch ein Gefälle zwischen Bayern und Baden-Württemberg und den anderen Bundesländern.
„Wenn sie nach Süddeutschland gehen, haben sie eine ganz andere Infrastruktur, haben sie Kommunen, die wirklich leistungsfähig sind und investieren. Aber wenn sie nach Norden gehen, NRW, Rheinland-Pfalz, Teile von Hessen, Saarland dort sind die vielen überschuldeten Kommunen. Es ist gar nicht so sehr ein Ost-West-Thema, muss man auch sagen.“
Marcel Fratzscher bei „hart aber fair“
ARD-Talk: Senioren-Republik Deutschland – kein großes Wachstum mehr in Sicht
Doch was ist nun zu tun? Der Klamroth-Gast plädiert für eine Reform der Schuldenbremse, die er grundsätzlich aber als sinnvoll ansieht. „Deutschland hat kein Schuldenproblem. Deutschland hat die geringsten Staatsschulden unter den großen Industrieländern. Deutschland hat ein Vermögensproblem – und das ist genau der Wert der Infrastruktur.“
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Anders als mit neuen Schulden für Investitionen könne Deutschland nicht aus dem Dilemma herauskommen, ist Fratzscher überzeugt. Durch die alternde Gesellschaft steigen die Sozialausgaben, schon jetzt fließt ein Viertel des Bundeshaushalts als Zuschuss in die Rentenkasse. Zudem könne man mit der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung nicht auf mehr Wachstum und damit höhere Steuereinnahmen hoffen. Gleichzeitig sind da aber diese „gigantischen Herausforderungen“, so Fratzscher in der ARD-Talkrunde von „hart aber fair“, die gelöst werden müssten. Es brauche Investitionen in die Zukunft des Landes – insbesondere auch tief im Westen!