Kaum eine Partei hat in ihrer Agenda einen so starken Heimatbezug wie die AfD. Im Wahlkampf tritt die Partei mit dem Slogan „Zeit für Deutschland“ an. Doch gerade Kanzlerkandidatin Alice Weidel scheint dem nicht ganz treu zu sein. Denn sie hat mindestens zwei Wohnsitze, „vielleicht auch mehrere“, sagt sie selbst. Einer davon ist in Einsiedeln in der Schweiz.
Im TV-Quadrell bei RTL hakte Moderator Günther Jauch deshalb genauer nach – und wollte ganz genau wissen, ob Weidel ihre Einkünfte alle in Deutschland versteuere. Ihre Antwort ließ keine Fragen offen: „Aber natürlich, weil ich das muss.“ Doch jetzt werden Recherchen öffentlich, die das widerlegen könnten.
Auch interessant: Kampfwort „Remigration“: Was die AfD in Deutschland wirklich vor hat
Alice Weidel: Diskussionen um Wohnsitz
Das Thema von Alice Weidels Wohnsitzen ist schon länger präsent – und ihr selbst ein Dorn im Auge. Offiziell habe sie mehrere Wohnsitze, doch vor allem halte sie sich in Überlingen am Bodensee, ihrem Wahlkreis, auf, betonte sie schon mehrmals. Dort ist die 46-Jährige im Reihenhaus ihrer Eltern gemeldet. Gleichzeitig hat sie aber auch einen Wohnsitz in der Schweiz. Mit ihrer Partnerin Sarah Bossard hat die Politikerin in Einsiedeln im Kanton Schwyz eine Eigentumswohnung.
Zuletzt wurde rückte der Fokus immer wieder auf ihren eigentlichen Hauptwohnsitz. Zwar hat die Frage danach keinen direkten Bezug auf ihr Recht, in Deutschland Politik zu machen, doch zeichnet es ein klares Bild der wirklichen Heimatbezogenheit der AfD-Politikerin. Während der Dreharbeiten zur aktuellen ZDF-Doku „Alice Weidel – Ein Porträt“ brach Weidel ein Interview, in dem sie gefragt wird, wie oft sie im vergangenen Jahr in ihrem deutschen Wohnort Überlingen übernachtet hat, sogar ab. Die Begründung: Die Frage sei suggestiv, andere Politiker müssten sich dieser auch nicht stellen.
Schweizer Zeitungen enthüllen Zahlungen
Nicht zuletzt die mögliche Diskrepanz der Lebensumstände dürfte Günther Jauch im Quadrell zu seiner hartnäckigen Frage bewogen haben. Bei der TV-Show sagte Weidel, sie zahle ihre Steuern in Deutschland. Doch so ganz wahr scheint das nicht zu sein. Denn jetzt berichteten die Schweizer Zeitungen von CH Media, dass Weidel auch im Nachbarland steuern zahlen muss.
Denn für die Eigentumswohnung von ihr und ihrer Frau fällt in der Schweiz der sogenannte „Eigenmietwert“ der Wohnung an. Dieser muss automatisch in dem Nicht-EU-Land besteuert werden. Die Höhe beläuft sich auf 65 Prozent der möglichen Jahresmiete. Diese werden als Einkommen versteuert. Allerdings können Steuerzahlungen in der Schweiz bei uns angerechnet werden, damit niemand doppelt zur Kasse gebeten wird.
Wie Recherchen der „Bild“ ergaben, könnten aber auch noch andere Steuern angefallen sein. Auch hier geht es um eine Immobilie. Bossard und Weidel waren Eigentümer einer Wohnung in Biel (Kanton Bern). Diese verkauften sie nach einer Sanierung vor drei Jahren. Mindestpreis laut Verkaufsprospekt: 680.000 Schweizer Franken (circa 723.000 Euro).
Mehr News zum Thema:
Gewinne aus solchen Verkäufen müssen eigentlich in der Schweiz besteuert werden, allerdings gibt es ein Steuerabkommen mit Deutschland, das Ausnahmen schafft. Demnach müssen „Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens“ dort besteuert werden, wo das Vermögen liegt. Auf Anfrage des Blattes, wo sie den Gewinn nun versteuert hat, wollte Alice Weidel keine Angaben machen.
Fest steht also, dass die AfD-Spitzenkandidatin in Deutschland Steuern zahlt, das zeigt auch ein aktives Steuerkonto beim Finanzamt Überlingen. Allerdings war sie beim Quadrell mit Jauch und dem Publikum nicht ganz ehrlich: Allein für ihre Wohnung in Einsiedeln fallen Steuern an – und das in regelmäßigen Abständen. Wie diese zwischen den Ämtern der Schweiz und Deutschland verrechnet werden, bleibe aber offen.