Man könnte meinen, zwischen Grünen und CDU wäre nun Frieden eingekehrt. Schließlich braucht der Kanzler in spe, Friedrich Merz, die Zustimmung eben dieser für die Umsetzung der Milliardenkredite. Dafür muss er Hand an die Schuldenbremse legen, also auch ans Grundgesetz – ein Schritt, den die CDU bis zu ihrer Wahl nicht nur ausgeschlossen, sondern für den sie die Grünen genau wegen dieser Forderung entschieden kritisiert hatte.
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Zumindest daran hat sich nichts geändert – also an der Kritik gegenüber den Grünen. Obwohl man die ja jetzt brauchen würde. Für die 55 Milliarden Euro, die die Union zum Regieren braucht – Summen übrigens, von denen die vielgescholtene Ampel nur träumen konnte. Dass man für diesen Vorteil nun auf das Wohlwollen der Grünen angewiesen ist, scheint aber bei der CSU/CDU nicht angekommen zu sein.
„Ramschware“ und „Kinderbücher“: CSU-Wutrede könnte für Union teuer werden
Markus Söder und Martin Huber (beide CSU) wettern beim Politischen Aschermittwoch der CSU nach alter Manier gegen die Grünen. Diese seien „Ramschware“. Söder polterte Habeck ein hämisches „auf Nimmerwiedersehen!“ nach, und Huber schaffte es auch auf seinem X-Kanal nicht aus dem Rausch heraus.
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Dort schrieb er: „Die Grünen wurden bei der Wahl abgewatscht: Robert Habeck kann wieder Kinderbücher schreiben, Annalena Baerbock über feministische Außenpolitik philosophieren, und Cem Özdemir kann Tofu-Schnitzel essen – aber endlich auf der Oppositionsbank!“
Heftige Reaktionen
Das war einer zu viel, fanden nicht nur die Grünen selbst. Wolfgang Kubicki (FDP), der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, dessen Partei selbst nicht zimperlich mit den Grünen umgeht, sondern eher politische Freundschaft mit der CDU pflegt, schrieb auf X zur Scharfmacherei: „Die CSU weiß, wie man die fehlenden Stimmen für die verfassungsändernde Mehrheit organisiert.“
Auch Lars Klingbeil (SPD-Co-Chef) sagte am Mittwoch bei „Maischberger“: „Ich finde, dass es nicht schlau ist, sich in diesen Zeiten gegenseitig zu demütigen. Das sollte sowieso kein politischer Stil sein.“ Er wolle einen „vernünftigen Umgang“ zwischen den Parteien.
Auch Mitglieder der Bündnis 90/Die Grünen selbst reagierten befremdlich auf das taktisch wohl nicht ganz durchdachte Gehetze aus Bayern. Die Bundestagsabgeordnete Laura Kraft schrieb auf X unter Hubers Post: „Wie gut, dass Sie keine Stimmen von uns für Schuldenbremse und Sondervermögen brauchen… oh wait!“
Ihr Kollege Erik Marquardt, der die Grünen in der EU vertritt, kommentierte auf X: „Die CSU scheint zu glauben, dass sie eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag erreicht, indem sie notwendigen Stimmen wie ein unerzogenes Kind schreiend den Stinkefinger zeigt. Das ist aber nicht korrekt, und vielleicht sind die Zeiten auch einfach etwas zu ernst, um sich in einem dumpfen Antigrünen-Bashing zu verlieren.“
CDU: Erst Grüne beschimpfen, dann um Stimmen betteln
Auch der von Huber direkt angesprochene, noch amtierende grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir meldete sich zu Wort: „Lieber Herr Huber, drei CSU-Verkehrsminister weniger in den letzten 16 Jahren & wir bräuchten vielleicht kein eigenes großes Sondervermögen für die Verkehrsinfrastruktur. Demut soll ja auch in Bayern eine bürgerliche Tugend sein.“
Sogar Robin Alexander, stellvertretender Chefredakteur der „Welt“, der nicht unbedingt als Grünen-Freund bekannt ist, kritisierte das Vorgehen der CDU und fasste es so zusammen: „1) Union lässt Habeck abblitzen, als er ihr vorschlägt, gemeinsam ein Sondervermögen für Infrastruktur und Wirtschaft zu beschließen. 2) Union führt Wahlkampf gegen den ’schlechtesten Wirtschaftsminister der Geschichte‘. 3) Union gewinnt die Wahl.“
„4) Union verabredet ein Sondervermögen für Infrastruktur und Wirtschaft. 5) Union beschimpft einen Tag später die Grünen als ‚Ramschware‘, Habeck könne ab jetzt ‚Kinderbücher von der Oppositionsbank schreiben‘. 6) Union braucht nächste Woche die Stimmen der Grünen für das Sondervermögen.“
CDU-Fehltritt: Grünen-Bashing – jetzt brauchen sie ihre Hilfe
Tatsächlich könnte das ungezogene Verhalten der CDU sie nun die 55 Milliarden Euro – und damit auch einiges an Beliebtheit in der Bevölkerung – kosten. Der Grünen-Parteivorsitzende Felix Banaszak hatte beim Politischen Aschermittwoch seiner Partei in Landshut bereits verkündet, dass eine Entschuldigung an seine Partei fällig sei.
Seine Kollegin Britta Haßelmann führte das Verhalten der Union darauf zurück, dass man mit dem veranstalteten Lärm davon ablenken wolle, dass man in Bezug auf die Schuldenbremse eine „große Schamlosigkeit“ begangen und die Wähler getäuscht habe.
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Die Grünen halten sich die Zustimmung zum Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur offen. „Wir werden uns die Vorschläge nun in Ruhe anschauen“, so Haßelmann.