Schwarz-Rot will das Bürgergeld abschaffen und dafür die neue Grundsicherung einsetzen. Es brauche mehr Druck in Form von Sanktionen auf die Langzeitarbeitslosen, findet vor allem die Union. Dabei ist oft die Rede von Verweigerern, die dem Staat und damit den Steuerzahlern zur Last fallen. Doch nun rücken CDU-Politiker davon auf einmal ab.
Plötzlich ist von einem anderen Problem die Rede. Tatsächlich scheint es, dass das Bild von Totalverweigern im Bürgergeld-Bezug ziemlich überzogen ist.
„Völlig an der Realität vorbei“
„Die Diskussion um das Bürgergeld ist völlig an der Realität vorbei. Ich erlebe es so: Auf zehn Arbeitswillige, die gerne möchten, kommt ein Totalverweigerer. Und trotzdem ist der öffentliche Diskurs sehr geprägt von der einzelnen Person, die sich verweigert“, sagt beispielsweise Dominik Schreyer, Geschäftsführer vom Diakoniewerk Mülheim, im WDR.
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Im selben WDR-Beitrag spricht der Bürgergeld-Empfänger Jan Casper. Der 55-Jährige verdient sich bei einem Sozialkaufhaus 240 Euro dazu. Casper weist darauf hin, dass viele, die nicht voll mit dem Jobcenter kooperieren, oft psychische Handicaps haben. Er findet eine komplette Streichung des Regelsatzes daher in diesen Fällen als „zu hart“. So etwas „geht gar nicht“.
CDU-Politiker: „Zahl der Totalverweigerer im Bürgergeld verschwindend gering“
Im Interview mit der „Aktuellen Stunde“ vom WDR räumt dann auch NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) ein: „Die Zahl bei den Totalverweigerern ist so, dass das nicht die entscheidende Frage ist“. Dennoch müsse sich der Staat wehren können und dürfe sich nicht auf dem Kopf herumtanzen lassen, so der Christdemokrat.
In der ZDF-Talkshow von Markus Lanz räumt auch Christdemokrat Achim Brötel ein, dass das Thema Totalverweigerer nicht drängend sei. Der Präsident des Deutschen Landkreistages erklärt in der Lanz-Runde:
„Die Totalverweigerer, die immer diskutiert werden, das sind verschwindend wenige. Die gibt es. Definitiv, es gibt Totalverweigerer im System. Aber das ist nicht das große Problem. Was uns Sorgen macht, sind diejenigen, die einfach Termine sausen lassen. 30 bis 40 Prozent aller Termine im Jobcenter platzen, weil die Menschen nicht kommen, weil es sanktionslos ist. Da müssen Sanktionen wieder her!“
Achim Brötel bei Lanz
Woher der Kommunalpolitiker die Zahl von 30-40 Prozent geplatzter Termine nimmt, bleibt in der ZDF-Sendung unklar.
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Zwar beklagte der Essener Sozialdezernenten Peter Renzel 2023, dass junge Arbeitslose unter 25 Jahren beim Jobcenter Essen nur 39 Prozent der Termineinladungen wahrnehmen. Doch bundesweite Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zu Versäumnisquoten bei Terminen von Bürgergeld-Beziehern liegen nicht vor.