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Berliner Anwältin prangert an – so schützt der Opferschutz die Täter

Die Zahl der Fälle von Partnerschaftsgewalt in Berlin steigt immer weiter. Die Opfer sind meistens Frauen. Öffentlich werden die Fälle meist nicht.

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Die Zahlen sind heftig – und sie steigen immer weiter an. Allein im Jahr 2023 gab es in Berlin mehr als 12.600 Fälle von Partnerschaftsgewalt. Das sind mehr als 34 am Tag. Ein Höchstwert in den letzten Jahren. Die meisten der Opfer – 77,5 Prozent – sind Frauen.

Sie werden von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner geschlagen, vergewaltigt oder gar getötet. Sie werden bedroht, genötigt, ihnen wird aufgelauert. Öffentlich werden die allermeisten Fälle nicht – und das sei ein Problem, sagt die Berliner Anwältin und Autorin Christina Clemm.

Berliner Anwältin übt Kritik

Die Berlinerin hat in ihrem Alltag als Anwältin stets mit Partnerschaftsgewalt zu tun. Ihre Erfahrungen hat sich auch in ihrem Buch „Gegen Frauenhass“ niedergeschrieben. Im Gespräch mit BERLIN LIVE kritisierte sie, dass beim Thema Gewalt gegen Frauen die Datenlage dürftig sei.

Die Berliner Anwältin und Autorin Christina Clemm kämpft gegen Gewalt gegen Frauen. Credit: IMAGO/imagebroker

„Wir wissen viel zu wenig über Partnerschaftsgewalt“, kritisiert Clemm. Das betreffe das Dunkelfeld, das seit 20 Jahren nicht untersucht worden sei, es betreffe aber auch die Täterprofile. „Wir wissen nicht, wie oft Täter schon in vorherigen Beziehungen gewalttätig geworden sind. Wir wissen nicht, welche Auswirkungen das auf Frauen und Kinder hat“, sagt sie.

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Und auch die Polizei trage dazu bei, dass das Thema Gewalt gegen Frauen nicht genug Aufmerksamkeit erfahre. In einem Pressegespräch mit der Polizei einer Kleinstadt habe sie erfahren, dass die Pressesteller der örtlichen Polizei Fälle von Gewalt gegen Frauen oft „aus Opferschutzgründen“ nicht veröffentliche. Auch die Berliner Polizei bestätigte auf Anfrage von BERLIN LIVE, dass Fälle Häuslicher Gewalt in der Regel „aus Gründen der zu befürchtenden Retraumatisierung der Opfer“ nicht veröffentlichen würden.

Über diese Fälle berichtet die Polizei Berlin

Nur wenn ein besonderes Maß der Öffentlichkeit gegeben sei, weiche man von dieser Praxis ab. Proaktiv teilt die Berliner Polizei hingegen sämtliche Tötungsdelikte, Terror- und Anschlagsfälle, Verbrechen mit Schusswaffen, Körperverletzungen mit Waffen, öffentlichkeitswirksame Unfälle, sowie antisemitische, homophobe oder queerfeindliche Sachverhalte mit. Die Polizei weist aber darauf hin, dass diese Meldungen „immer nur einen Ausschnitt der polizeilich relevanten Ereignisse abbilden“.


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Für Anwältin und Autorin Christina Clemm führt dieser Ausschnitt die Öffentlichkeit in die Irre. Die Auswahl der Meldungen führe dazu, „dass wir über jeden Verkehrsunfall etwas lesen, über jeden Einbruchsdiebstahl, aber nichts darüber, dass die  Polizei andauernd im Einsatz ist, weil häusliche Gewalt ausgeübt wird“. Sie kritisiert: „So schützt der Opferschutz erneut die Täter, das darf nicht sein.“

Das ganze Interview mit Anwältin und Autorin Christina Clemm liest du hier.