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Berlin: Dieter hat einen engen Freund verloren – “Im Schlafsack angezündet worden!” 

Dieter Bichler war obdachlos. Seine Familie waren Freunde von der Straße. Einige von ihnen verlor er auf tragische Weise…

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© Jana Wengert / BERLIN LIVE

Ehemaliger Obdachloser packt aus: So war das Leben auf den Straßen Berlins

Wir trafen in Berlin auf Dieter Bichler. Dieter wohnte mehrere Jahre auf der Straße und hat somit erlebt was viele von uns sich nichtmal vorstellen wollen. Im Interview teilt er seine Erfahrungen.

Dieter Bichler lebte mehrere Jahre lang als Obdachloser auf den Straßen Berlins. Am Bahnhof Zoo war der gelernte Mosaik-Pflasterer damals gestrandet – und lernte an genau diesem Ort auch die Leute kennen, die ihn längere Zeit in seinem Leben begleiteten.

Bis heute hat sich einiges getan: Dieter hat nicht nur die Obdachlosigkeit hinter sich gelassen – er verlor in der Vergangenheit auch einige seiner lieb gewonnenen Bezugspersonen. Eine von ihnen sogar auf besonders schlimme Art und Weise…

Berlin: Obdachlose haben es nicht leicht

Gemeinsam legte die achtköpfige Clique im Jahr 2012 täglich mehrere Kilometer zu Fuß zurück, pendelte zwischen dem Berliner Bahnhof Zoo, ihrem Schlafplatz mit den langen Bänken am Savignyplatz und der einen oder anderen Seitenstraße. Beim Interview mit BERLIN LIVE im März 2025 ist von Dieters Freundeskreis jedoch nur noch eine Person übrig: „Boris ist derjenige, der heute noch lebt.“

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Dieter Bichler war längere Zeit obdachlos. Heute gibt er Stadtführungen über „querstadtein e.V.“ durch Berlin. Credit: Jana Wengert / BERLIN LIVE

Was ist mit dem Rest passiert? „Alle anderen sind verstorben – durch Alkohol, Crystal Meth“, erläuterte Dieter gegenüber unserer Redaktion. Eine weitere Freundin sei in den eisigen Nächten in der Hauptstadt mangels Kleidung, Schlafsack und dem nötigen Schutz an einer Bushaltestelle erfroren. Während man bereits denkt, es kann nicht schlimmer kommen, verriet der einstige Obdachlose, was mit seinem anderen Kumpel passiert ist.

Berliner Ex-Obdachloser packt aus: „Schlafen ist ein Angstgefühl“

„Er gehörte zu den Leuten, die in Berlin in ihrem Schlafsack angezündet worden sind“, drückte Dieter kühl aus und blickte dabei durch seine verspiegelte Sonnenbrille auf den Boden. Für den früheren Studenten der Fächer Geografie und Geschichte noch immer eine unvorstellbar grausame Tat, die seinem Freund zugestoßen ist. Ohnehin sei das Leben auf der Straße schon schrecklich und beängstigend genug.

„Schlafen ist ein Angstgefühl. Wenn du einschläfst, kannst du dich nicht mehr wehren. Jeder kann mit dir machen, was er will. Du hast keine Sicherheit mehr“, erinnerte sich Dieter zurück. Deshalb würden zahlreiche Obdachlose das Bedürfnis nach Schlaf auch so lange wie möglich hinauszögern – zum Teil mit Alkohol oder anderen Drogen. Das war allerdings nie Dieters Ding: Er hat sich stattdessen „müde gelesen“.

Dieter schwelgt immer wieder in Erinnerungen an damals

Wie er den harten Alltag überstanden hat, sich zurück ins Leben gekämpft hat und wie man einem obdach- oder wohnungslosen Menschen die größte Freude machen kann? All diese Fragen beantwortet Dieter mittlerweile in Form von Stadtführungen durch Berlin, die vom Verein „querstadtein e.V.“ organisiert werden.


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Regelmäßig zieht er dabei an seinen früheren Schlafstätten vorbei und lässt alte Erinnerungen wieder hochkommen. Wer bei einer solchen Tour im Westen der Hauptstadt auch mal dabei sein möchte, sollte mal unter querstadtein.org vorbeischauen – und wer weiß, vielleicht lernt ihr Dieter ja schon bald persönlich kennen!