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Berlin: Traditionsgeschäft gibt nach 28 Jahren auf – „Wollen nicht nur Geld weiterreichen“

Nach 28 Jahren ist Schluss für ein echtes Traditionsgeschäft in Berlin-Friedrichshain. Die Betreiberin sagt: So konnte und wollte sie nicht weitermachen.

© imago/tagesspiegel

Miete in Berlin: Wohnen wird immer teurer

Berlin war mal ein gutes Pflaster für günstige Mieten. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Seit dem Jahr 2012 haben sich die durchschnittlichen Wohnungspreise in der Hauptstadt von 6,65 Euro pro Quadratmeter auf 12,92 Euro pro Quadratmeter verdoppelt.

Anfang September schockte die Buchhandlung „Lesen und lesen lassen“ aus Berlin-Friedrichshain ihre Stammkunden. Nach 28 Jahren im Kiez schließt das beliebte Traditionsgeschäft am 19. Oktober seine Türen für immer. Grund sind immer höhere Mietforderungen.

Im Gespräch mit BERLIN LIVE erklärt Inhaberin Beate Klemm, warum sie die Forderungen weder erfüllen kann, noch will.

Berlin: Buchhandlung schließt für immer

Aufreibende Wochen liegen hinter Beate Klemm und ihrem Mann Mischa, als sie Anfang Oktober den Hörer abnimmt. Sie hat gerade wieder mit einem Kunden gesprochen, wieder die Geschichte erzählt, wie es dazu kam, dass „Lesen und lesen lassen“ schon bald aus Friedrichshain verschwinden wird. Emotional sei das immer aufreibend, dennoch wolle sie auch, dass die Geschichte erzählt wird – und zwar so, wie sie sie erlebt.

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Und das sei „keine Verlierergeschichte“, wie Klemm betont. „Wir gehen erhobenen Hauptes.“ So wirklich freiwillig gehen sie aber nicht. Nachdem vor einigen Jahren die Vermieter wechselten, wurde die Miete immer wieder erhöht. Im vergangenen Herbst stand eine Erhöhung um fast 50 Prozent an. In diesem November wäre beinahe schon das Doppelte des ursprünglichen Mietpreises fällig gewesen.



Das habe sie nicht zahlen können und wollen. „Bücher sind ja politisch geschützt, wir haben da keinen Spielraum“, erklärt Beate Klemm. Wegen der Buchpreisbindung könne man die Preise nicht einfach erhöhen, wie es in anderen Branchen möglich sei, sagt sie. Und das wolle man auch gar nicht.

Mietpreis immer weiter angehoben

Zwischenzeitlich habe es so ausgesehen, als würde zumindest ein Buchladen erhalten bleiben. Mit einer Verlagsbuchhandlung hatte man dem Vermieter Nachfolger präsentiert. Doch von denen habe der Vermieter plötzlich weit mehr als das doppelte des Mietpreises verlangt, den Beate Klemm noch im Sommer 2023 gezahlt habe. So zerschlug sich auch das.


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„Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, unsere Stammkunden zum solidarischen Bücherkauf aufzurufen“, erzählt die Buchhändlerin. „Wir wollen ja nicht einfach nur Geld für eine überzogene Miete weiterreichen.“

So bleibt nach 28 Jahren „Lesen und lesen lassen“ nur der Abschied. Bis es so weit ist, wollen Beate und Mischa Klemm ihren Kunden aber ein möglichst unbeschwertes Einkaufserlebnis bieten. „Es soll bis zum Schluss toll sein“, sagt sie. „Wir halten bis zum Schluss ein vollständiges Sortiment parat.“ Es sei stets eine gute Zeit gewesen und diese braucht auch einen guten Abschluss.