Ab dem 1. November öffnen in Berlin und vielen anderen deutschen Städten die Notunterkünfte der Kältehilfe für Wohnungslose. Gerade die Wintermonate sind für sie eine besonders harte Zeit. Bei Temperaturen um oder sogar unter null Grad ist das Leben auf der Straße für sie lebensgefährlich.
Anfang Oktober standen 677 Übernachtungsplätze für sie bereit. Mittlerweile sind es nach Angaben der Senatssozialverwaltung schon 1.100 Plätze. Doch das ist lange nicht genug, wenn man sich die Zahlen der Obdachlosenzählung aus dem Jahr 2020 ansieht.
Berlin: Drei Objekte stehen in der engeren Auswahl
Insgesamt wurden damals knapp 2000 Menschen gezählt, die in Berlin auf der Straße leben. Doch die Dunkelziffer sei viel höher und die Zählung, die vom Senat veranlasst wurde, habe nur einen Bruchteil erfasst, berichtet die „taz“.
Deshalb werden derzeit weitere geeignete Objekte für die Kältehilfe gesucht. Dies geschieht in Zusammenarbeit von Senat, der Koordinierungsstelle der Berliner Kältehilfe und den Bezirksämtern. „Wir gehen davon aus, dass sich die Gesamtkapazität noch erhöhen wird“, sagt der Pressesprecher der Senatssozialverwaltung, Stefan Strauß, auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes. Aktuell würden drei kleinere Objekte in unterschiedlichen Bezirken geprüft.
Räumlichkeiten müssen im Stadtkern sein
Doch die Suche nach Quartieren ist gar nicht so einfach. „Die Räumlichkeiten müssen einige Kriterien erfüllen“, erklärt Elias Pries im Gespräch mit BERLIN LIVE. Er ist ehrenamtlicher Mitarbeiter bei der Kältehilfe der Berliner Stadtmission in der Lehrter Straße in Mitte.
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„Die Einrichtungen müssen barrierefrei und zentral sein. Am besten innerhalb des Rings. Eine Notunterkunft, die fernab von zentralen Plätzen ist, ist ungeeignet“, fügt er hinzu. Denn gerade die Zahl von Wohnungslosen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, steigt. Kurze Wege sind hier das Stichwort. Eine Unterkunft am Stadtrand ist also keine Option.
Vermieter und Nachbarn oft skeptisch
Aber nicht nur die Lage ist entscheidend. Auch die Nachbarn müssen mitspielen. „Grundsätzlich sind natürlich die meisten Menschen dafür, dass Obdachlosen geholfen wird. Aber bitte nicht vor der eigenen Haustür“, erklärt der junge Mann.
Seine Kollegin Marie-Sophie Bächle, die sich neben dem Studium bei der Kältehilfe engagiert, fügt hinzu: „Relativ viele Objekte können umfunktioniert werden. Aber viele haben Sorge vor dem Lärm und dem Müll, den eine solche Unterkunft mit sich bringen kann. Vermieter haben dagegen häufig Angst, dass die Räumlichkeiten heruntergewirtschaftet werden.“
Fehlende finanzielle Unterstützung
Letztere sind zugleich auch das Stichwort für das nächste Problem: der fehlende bezahlbare Wohnraum für soziale Projekte. Entrüstet stellt Pries fest: „Die Kältehilfe ist maßlos unterfinanziert vom Senat, obwohl es große Pläne gibt, die Obdachlosigkeit zu bekämpfen. Aber damit gewinnt man keinen Wahlkampf.“
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Aus seinen Erfahrungen in der Lehrter Straße erzählt der Mann: „An besonders kalten Tagen stehen wir vor der Frage: Nehmen wir die Leute rein, obwohl wir keine Betten mehr frei haben, oder lassen wir sie auf dem Boden schlafen? Das ist natürlich menschenunwürdig, aber es ist die einzige Chance, ihnen zu helfen.“ Eine Lösung muss her. Die einzige Hoffnung ist, dass der Senat möglichst schnell weitere Räumlichkeiten anmieten kann.