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Berliner Psychotherapeuten totale Schwurbler? Dabei sollten Patienten hellhörig werden

Auch in Berlin begeben sich zahlreiche Menschen in eine Therapie. Bei so mancher Diagnose sollte man jedoch hellhörig werden.

Berlin
© IMAGO/Westend61

Berlin: Das ist Deutschlands Hauptstadt

Berlin ist nicht nur Deutschlands Hauptstadt, sondern auch die größte Stadt der Bundesrepublik. Im Jahr 2022 wohnten 3,75 Millionen Menschen hier. Die Tendenz ist steigend. Zudem kamen im gleichen Jahr rund 10 Millionen Gäste für insgesamt 26,5 Millionen Übernachtungen in die Hauptstadt.

Der in Berlin ansässige Journalist Khesrau Behroz hat gemeinsam mit dem Reporter-Team von „Undone“ einen regelrechten Skandal aufgedeckt: Verschwörungstheorie über rituelle sexualisierte Gewalt und Mind Control in deutschen Psychotherapiepraxen.

Die Schicksale einiger Betroffener sind im Podcast „Geteiltes Leid“ zu erfahren. Wie viele solcher Fälle es überhaupt gibt, versteckt sich hinter einer Dunkelziffer. Doch wie können derartige Pseudo-Therapien von Patienten enttarnt werden? BERLIN LIVE hat bei Kinder- und Jugendpsychiaterin Olga Herschel nachgehakt.

Berliner Therapeuten ebenfalls schon als Schwurbler enttarnt

Die inzwischen als Journalistin arbeitende Medizinerin war ebenfalls Teil der Podcast-Recherchegruppe: „Vorab möchten wir betonen, dass der überwiegende Großteil der Therapierenden seriös ist und wir kein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Psychotherapeut:innen wecken wollen. Aber wie in jeder Branche, gibt es eben welche, die der Verantwortung ihres Jobs nicht gerecht werden.“ Sollte bei Patienten ein schlechtes Gefühl aufkommen, kann beispielsweise auf suggestive Fragen geachtet werden.

Berlin
Autorin und Medizinerin Olga Herschel. Credit: Undone_Shane Thomas McMillan

„Also Fragen, die mit Inhalten kommen, die man selber noch so gar nicht erwähnt hat, also die völlig aus dem Nichts kommen. Auch auffällig wäre, wenn es keine standardisierte Diagnostik gibt und auch die Therapiestunden, die eigentlich dafür vorgesehen sind, nicht stattfinden – sondern schon nach der ersten oder zweiten Sitzung eine heftige Diagnose im Raum steht“, erläuterte Herschel gegenüber unserer Redaktion. So bedarf es normalerweise mehrere Therapiestunden, um die betroffene Person kennenzulernen und sich als Therapeut ein fundiertes Bild zu machen.

Berliner Journalisten kennen die Hintergründe

„Also alles, was einfach so aus der Hüfte geschossen kommt, ist schon sehr auffällig“, betonte die Medizinerin. Doch was ist überhaupt die Intension der Therapeuten? „Darüber haben wir uns wirklich die Köpfe zerbrochen. Denn die Menschen setzen sich ganz klar für etwas Wichtiges ein, nämlich Opfer von sexualisierter Gewalt. Sie glauben aber gleichzeitig an diese Verschwörungserzählung der rituellen Gewalt“, erklärte Herschel weiter. Eine gefährliche Kombi.

„Sie haben vermutlich beste Absichten: Sie glauben daran und versuchen, Frauen vor dem Täter-Netzwerk zu schützen oder eben Opfer zu ihrem Recht zu verhelfen, Anerkennung zu finden. Gleichzeitig findet man bei ihnen Denkmuster, die sie mit Verschwörungsgläubigen gemein haben. Typisch ist da beispielsweise das Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen – also zu den Guten zu gehören, im Kampf gegen das Böse“, erläuterte Herschel.

Betroffene gehen mit großem Vertrauen in Therapie

Ein Eingriff von außen scheint nahezu unmöglich zu sein. „Unsere Recherche zeigt leider eher, dass Angehörige ziemlich machtlos sind. Psychotherapie findet in einem geschützten Raum statt und ist aufgrund der Schweigepflicht für andere nicht zugänglich – und das ist grundsätzlich auch gut so. Solange die in Therapie befindliche Person keine weiteren Menschen einlädt, an dem Prozess teilzuhaben, ist es für Angehörige im Prinzip unmöglich, irgendwas zu bewegen“, stellte die Medizinerin klar.


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„Was wir aber auch sehen, ist, dass das Thema „schädliche Therapien“ erst ganz langsam an die Oberfläche kommt. Die Verantwortung, dass eine Therapie nicht schadet, haben aber weder die Patient:innen, noch ihre Angehörigen, sondern natürlich die Therapeut:innen und Ärzt:innen. Dass Patient:innen besonders vertrauen ist eigentlich normal“, argumentierte Herschel. So herrsche auch immer ein gewisses Machtverhältnis: „Bei unseren Recherchen begegneten uns immer wieder Therapierende, die dieser Verantwortung nicht gerecht geworden sind.“

„Emotionale Abhängigkeit“ wird meist zum Verhängnis

Die Betroffenen versinken also in einem regelrechten Strudel. „Bei unseren Recherchen fällt auf, dass die Patient:innen gar nicht immer alles glauben oder geglaubt haben. Aber sie machen trotzdem mit, sei es aus einer Art Loyalität zur Therapeutin oder tatsächlich wegen einer emotionalen Abhängigkeit“, analysierte Herschel in Zusammenarbeit mit ihrem Team. Dabei spiele vor allem Suggestion eine große Rolle: „Aber dazu mehr im Podcast!“

„Geteiltes Leid“ – der neue vierteilige Investigativ-Podcast von Undone ab 15. November 2024 immer freitags überall, wo es Podcast gibt.