Das Berliner Unternehmen Tomorrow Bio will Menschen nach dem Tod ein zweites Leben ermöglichen. Wer Kunde ist und stirbt, kann sich einfrieren und in der Zukunft wiederbeleben lassen. So ist zumindest der Plan. Laut derzeitigem Forschungsstand ist das nicht möglich. Doch Gründer und Geschäftsführer Dr. Emil Kendziorra glaubt fest daran, dass es in der Zukunft möglich sein wird.
Ein anderer Wissenschaftler hingegen sieht das Ganze kritisch. BERLIN LIVE hat mit ihm gesprochen, in Erfahrung gebracht, was er über dieses Konzept eines zweiten Lebens denkt und ihn das Ganze medizinisch einordnen lassen.
Berlin: Mediziner über ein zweites Leben nach dem Tod
Dr. Jörg Klug ist ehemaliger Molekular- und Zellbiologe an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Auf die banale Frage, ob ein Wiederbeleben eines Toten medizinisch möglich sei antwortet er: Die Frage ist nicht ernst gemeint, oder? Obwohl, Millionen von Menschen glauben an die Auferstehung von Jesus Christus und Frankenstein.“
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Dann wird er ernst. „Vom Tod bis zur Kryokonservierung vergeht Zeit, in der die Verwesung einsetzt. Bei der hypothetischen „Wiederbelebung“ müsste man also all diese zerstörerischen Prozesse zunächst rückgängig machen und hätte noch immer einen toten Menschen vor sich“, so der pensionierte Mediziner.
Sterben, wieder leben und erneut sterben
Für Kendziorra und die Menschen die an dieses Konzept glauben, stellen diese Dinge kein unüberwindbares Hindernis dar. Im Gespräch mit BERLIN LIVE erklärt er, die meisten seiner Kunden seien zuvor an Krankheiten wie beispielsweise Krebs gestorben. Viele Menschen würden sich auch bei Tomorrow Bio anmelden, weil sie daran glaubten, dass die Krankheit in Zukunft geheilt werden kann.
Dr. Klug nimmt einen solchen Fall als Beispiel: „Würde man diesen in Lebzeiten kranken Menschen „wiederbeleben“ hätte man einen Menschen vor sich der kurz vor seinem Tod steht. Jetzt müsste man also alle Krankheits- und damit auch Alterungsprozesse zu einem gewissen Teil rückgängig machen, damit ein Weiterleben überhaupt sinnvoll werden könnte. Das sind sehr viele Konjunktive, bei denen niemand weiß wie man das konkret angehen könnte“, so Klug weiter. Zudem spricht er die Schäden an, die die menschlichen Organe bei einem solchen Verfahren seiner Meinung nach zwangsläufig davontragen müssten.
„Zeit überbrücken, bis zukünftige Technik gut genug ist“
DKenziorra sieht die Lösungen dafür in der Zukunft. „Man hat konzeptionell Pläne wie das funktionieren würde, ich nehme aber an, dass es bei Menschen noch sicherlich zwischen 50 und 100 Jahren Forschung ist, bis es klappen kann. Das sind jedoch keine fest belastbaren Zahlen.“ Darum gilt für ihn: „Die Zeit überbrücken, bis zukünftige Technik gut genug ist, um diese Probleme zu lösen.“
Mehr aus der BERLIN LIVE-Serie findest du hier:
- Teil 1: Berliner Unternehmen will Tote wieder zum Leben erwecken
- Teil 2: Berliner Unternehmen friert Menschen ein – der Blick in ihren Krankenwagen erstaunt
- Teil 3: Berliner Unternehmen friert Menschen ein – „Das ist eine Kuriosität. Muss das sein?“
- Teil 4: Berliner Unternehmen friert Menschen ein: Wie sieht ein Leben danach aus? – „Ich glaube, dass ich das hinbekomme“
Klug sieht das anders: „Viel sinnvoller wäre es doch den Alterungsprozess zu verlangsamen und das Sterben hinaus zu zögern. Langlebigkeitsforschung ist im Gegensatz zur Kryokonservierung ein realistischer moderner Ansatz.“ Sein Mediziner-Kollege Kendziorra kommt selbst aus der Langlebigkeitsforschung, gibt er im Gespräch mit BERLIN LIVE preis. Weil im die Fortschritte hier jedoch zu langsam sind, hat er sich der Kryokonservierung zugewandt.
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Molekular- und Zellbiologe Klug wird dann sogar noch einmal fast philosophisch: „Das Leben auf der Erde kommt nicht ohne den Tod aus. Die Evolution braucht immer wieder neue Individuen, die sich bewähren müssen. Wenn wir aber die Alterspyramide zu immer älteren Menschen verschieben, würden wir irgendwann Probleme mit der Evolution bekommen. Und dann müssen wir uns entscheiden, ob wir das Leben noch dem Zufall überlassen können, oder nicht gezielt im Labor planen sollten oder müssten.“
Und dennoch gibt es einige Kunden, die bereits in den Tanks von Tomorrow Bio in der Schweiz kopfüber hängen. Einer von ihnen soll Jonas Nagel sein, sobald er stirbt. Er ist Kunde bei Tomorrow Bio und hat in Artikel 6 dieser Serie erstaunliche Details dazu erzählt.