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Obdachlos in Berlin: Dieter (56) spricht über sein Schicksal auf der Straße 

Dieter Bichler lebte mehrere Jahre lang als Obdachloser auf den Straßen Berlins. Mit BERLIN LIVE sprach er über sein Schicksal.

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© Jana Wengert / BERLIN LIVE

Ehemaliger Obdachloser packt aus: So war das Leben auf den Straßen Berlins

Wir trafen in Berlin auf Dieter Bichler. Dieter wohnte mehrere Jahre auf der Straße und hat somit erlebt was viele von uns sich nichtmal vorstellen wollen. Im Interview teilt er seine Erfahrungen.

In Berlin leben mehr als drei Millionen Menschen. Einige von ihnen allerdings ohne ein richtiges Dach über dem Kopf.

Einer von ihnen war auch Dieter Bichler. Im Interview mit BERLIN LIVE sprach der frühere Obdachlose über sein persönliches Schicksal und die schwere Zeit auf der Straße.

Obdachlos in Berlin ist alles andere als leicht

„Angefangen hat alles im November 2011“, verriet der inzwischen 56-Jährige gegenüber unserer Redaktion. Seine damalige Vermieterin hatte Eigenbedarf der Wohnung in Thüringen angemeldet. Nur einen Monat später folgte der nächste Schock: Sie stellte Dieter auch noch Gas, Wasser und Strom ab. Seine Bleibe wollte der Lese-Fan aber trotz alldem nicht verlassen: „Ich hatte sehr viele familiäre Erinnerungen an die Wohnung.“

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Dieter Bichler lebte längere Zeit als Obdachloser auf den Straßen Berlins. Credit: Jana Wengert / BERLIN LIVE

Bevor es zu einer Zwangsräumung kam, entschied sich Dieter dann aber doch zu gehen. Aber wohin? Als eine Art Neustart wollte sich der Bartträger einen Wunsch erfüllen: die west-französische Küste bereisen. Mit seinem restlichen Hartz4-Geld, einem Wasserkocher, Schlafsack und ein paar Klamotten – „die nötigsten Dinge, die man gebrauchen kann“ – machte sich der damals 43-Jährige auf den Weg. Und ist über ein paar Umwege letztendlich am Bahnhof Zoologischer Garten in Berlin gestrandet.

Obdachlose halten zusammen – das ist aber nicht immer so

Durch seine offene Art habe er schnell Kontakte geknüpft. „Da saßen drei Obdachlose am Bahnhof Zoo und ich hab sie angequatscht“, erinnerte sich Dieter gegenüber BERLIN LIVE zurück. Wie sich herausstellte waren das Billy, Boris und Lena – drei Personen der achtköpfigen Clique, mit der Dieter kurze Zeit später eng verbunden war und seinen Alltag auf der Straße bewältigte. Dabei ist ein solches Vertrauen in der Gruppe und der Zusammenhalt unter Obdachlosen nicht immer selbstverständlich.

Der Alltag sah damals trotzdem alles andere als rosig aus. Bereits am frühen Morgen die erste Hürde. „Das Problem ist, der öffentliche Raum ist nicht mehr wie vor zwölf Jahren. Er ist einsehbarer geworden. Dadurch ist es schwierig, halbnackig aus dem Schlafsack zu kommen“, erläuterte Dieter. Generell sei Hygiene ein großes Problem. Waschen kam oft nur im Park in Frage: „Es gibt zu wenig öffentliche Einrichtungen, in denen das möglich ist.“

Berliner Ex-Obdachloser will Betroffenen Hoffnung schenken

So dürfte jedem klar sein, dass 30 Duschen für angenommen rund 5.000 Obdachlose längst nicht ausreichen. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie unangenehm es ist, sich nicht waschen zu können. Die Hautschichten tragen sich ab. Irgendwann hast du nur noch rohes Fleisch dort. Es tut nicht nur weh, es riecht auch übel – aber du kannst gar nichts dagegen tun“, erklärte Dieter. Bei ihm selbst sei es aber zum Glück nie so weit gekommen.


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Die Zeit auf der Straße ging an Dieter Bichler dennoch nicht spurlos vorbei. Seine damaligen Erlebnisse gibt er mittlerweile in Form von Stadtführungen beim Berliner Verein „querstadtein e.V.“ wieder. Und auch ehrenamtlich engagiert sich Dieter inzwischen bei Einrichtungen in der Hauptstadt, um obdach- und wohnungslosen Menschen eine neue Perspektive und auch einen Funken Hoffnung zu schenken. Für weitere Infos schaut doch einfach mal unter querstadtein.org vorbei und lernt Dieter darüber vielleicht schon bald selbst bei einer seiner Touren kennen.