Veröffentlicht inAktuelles

Anschlag auf Weihnachtsmarkt Magdeburg ++ Leisteten Polizei und Stadtverwaltung „Beihilfe“? ++ Terrorismus-Forscher: Attentäter psychisch krank

Nach dem schrecklichen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg herrschen Trauer und Fassungslosigkeit. Wir berichten im News-Blog.

Der Weihnachtsmarkt in Magdeburg nach dem Anschlag am Freitag (20. Dezember).
© picture alliance/dpa

Terror-Anschlag auf Weihnachtsmarkt Magdeburg: Auto fährt in Menschenmenge

Auf dem zentralen Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist es am Freitag (20. Dezember) zu einem Anschlag mit verheerenden Folgen gekommen.

Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg schockierte am Freitag (20. Dezember) ein ganzes Land. Der Schock sitzt auch einige Tage danach immer noch tief.

Die Zahl der Opfer ist in den darauffolgenden Tagen gestiegen. Bei den insgesamt fünf Todesopfern handelt es sich um vier erwachsene Frauen und ein neunjähriges Kind – darüber hinaus gab es rund 200 Verletzte.

Der Weihnachtsmarkt wurde noch am Freitagabend umgehend geschlossen. Polizei und Rettungskräfte waren bis tief in die Nacht hinein im Großeinsatz. Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um einen 50-jährigen Mann aus Saudi-Arabien, ein islamistisches Motiv konnte früh ausgeschlossen werden.

Die Stadt hat kurz nach dem Anschlag Konsequenzen gezogen und als Zeichen der Trauer alle kulturellen Veranstaltungen bis Montag (23. Dezember) in Magdeburg abgesagt.

Anschlag auf Weihnachtsmarkt Magdeburg im Newsblog

Wir berichten über den Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt Magdeburg in einem Newsblog.

+++ Hier klicken, um den Blog zu aktualisieren +++

Mittwoch, 25. Dezember

8.53 Uhr: Polizei und Stadtverwaltung im Visier der Ermittlungen

Laut Informationen der „Bild“ wurde bei der Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg (Sachsen-Anhalt) Anzeige gegen die Polizei und Stadtverwaltung erstattet. Der Grund sei das Versagen beim Sicherheitskonzept des Weihnachtsmarktes, weil beide Behörden „keine technischen Absperrungen veranlassten, organisierten beziehungsweise vornahmen“, heißt es in der Anzeige. „Dieses Nichtstun erfüllt die Beihilfe zu einer Straftat durch Unterlassung“, so Vorstand Dieter Siegel.

Der Magdeburger Polizei drohe aber noch eine weitere Anzeige. „Soweit die Tatsache stimmt, dass die Zufahrt durch ein Polizeifahrzeug hätte geschützt werden sollen, dies jedoch nicht geschah, belegt dies ohne Weiteres, dass von der Polizei selbst die Notwendigkeit einer präventiven Schutzmaßnahme gesehen wurde. Zugleich belegt es auch ein massives Versäumnis“, so Anwalt Adam Ahmed. „Die Staatsanwaltschaft muss daher augenblicklich wegen der Geschehnisse zusätzlich Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötungen und fahrlässiger Körperverletzungen einleiten. Die Verantwortlichen bei der Polizei werden die strafrechtliche Verantwortung zu übernehmen haben. Vor allem aber hinsichtlich der Lücke im Sicherheitssystem bei der Absperrung. Hauptverantwortlicher dürfte der Einsatzleiter sein.“

Auch die Opfer können zivilrechtlich gegen die Behörden klagen. Wie viel Schadenersatzanspruch jeweils bestehe, würde sich laut „Bild“ nach den jeweiligen Gegebenheiten der einzelnen Betroffenen richten.

7.43 Uhr: SPD-Vorsitzender mit klarer Forderung

Saskia Esken, Vorsitzende der SPD, fordert nach dem Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt eine lückenlose Aufklärung der Tat und meldet sich mit einem Appell an alle zu Wort: „Neben möglichen politischen Konsequenzen, die genau geprüft und mit Sorgfalt gewählt werden müssen, darf eine Botschaft nicht außer Acht gelassen werden: Was uns als Gesellschaft verbindet, ist immer größer als das Trennende. Gerade in Zeiten der Not und der Trauer dürfen wir darauf vertrauen, dass unser ‚Mensch sein‘ und unser Zusammenhalt stärker sind als Hass und Gewalt.“

Die Opfer und ihre Familien sollen jetzt jede nötige Hilfe erhalten. Esken hofft vor allem auf eine Aufklärung der Frage, „warum die Radikalisierung des Täters und seine dokumentierte Gewaltbereitschaft ohne Konsequenzen blieb“.

Dienstag, 24. Dezember

22.45 Uhr: Expertin: „Islamist ist, wer Islamistisches tut“

Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann (60) zieht nach dem Magdeburg-Anschlag gegenüber dieser Redaktion ein düsteres Fazit. Wie sie den Fall einordnet, kannst du hier nachlesen!

8.21 Uhr: Union fordert nach Anschlag von Magdeburg „starkes Sicherheitspaket“

Nach dem Anschlag von Magdeburg mit fünf Toten und mehr als 200 Verletzten hat Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) eine Einigung auf verbleibende Teile des Sicherheitspakets in Aussicht gestellt und eine Anrufung des Vermittlungsausschusses gefordert. „Wir müssen und wir können unsere Bevölkerung besser schützen“, sagte Lindholz der „Rheinischen Post“ von Dienstag. „Dafür braucht es jetzt ein starkes Sicherheitspaket, das unseren Behörden wirksame Befugnisse an die Hand gibt.“ 

Dazu zähle in erster Linie die Mindestspeicherfrist für IP-Adressen, die die Union seit vielen Jahren fordere, fuhr Lindholz fort. „Aber auch Befugnisse zur automatisierten Gesichtserkennung und zum Internetabgleich von Polizeidaten, die das verfassungsrechtlich Mögliche ausschöpfen, müssen wir regeln.“ 

Montag, 23. Dezember

19.30 Uhr: Faeser fordert neue Gesetze

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat nach dem Anschlag von Magdeburg mit fünf Toten und mehr als 200 Verletzten dafür plädiert, neue Gesetze zur inneren Sicherheit rasch zu beschließen. In einem Interview beim „Spiegel“ nannte Faeser etwa das neue Bundespolizeigesetz, das die Bundespolizei stärken soll, oder die Einführung der biometrischen Überwachung von Ausländern. „All diese Gesetzentwürfe von uns könnten sofort beschlossen werden, wenn Union und FDP sich dem nicht verweigern“, sagte die SPD-Politikerin.

15.41 Uhr: Uniklinik Magdeburg nach Anschlag auf Weihnachtsmarkt wieder im Regelbetrieb

Die Uniklinik in Magdeburg ist drei Tage nach dem Anschlag auf den dortigen Weihnachtsmarkt wieder in den Regelbetrieb zurückgekehrt. Damit stünden alle Bereiche der Uniklinik inklusive der Notaufnahme der Bevölkerung wieder vollständig zur Verfügung, teilte die Klinik am Montag mit.

Insgesamt seien in dem Haus 72 Verletzte der etwa 200 bei dem Anschlag verletzten Menschen versorgt worden. Darunter seien auch 15 schwerverletzte Patientinnen und Patienten. Dank des außerordentlichen Engagements der Mitarbeitenden und der schnellen Mobilisierung aller Ressourcen sei die medizinische Versorgung jederzeit sichergestellt gewesen. Der Fokus der Klinik liege jetzt auf der Genesung aller Patientinnen und Patienten sowie der Unterstützung aller Betroffenen, die das traumatische Ereignis verarbeiten müssen.

In den kommenden Wochen sollten die umfangreichen Betreuungsangebote durch die psychosoziale Notfallversorgung der Klinik fortgesetzt und Patienten, Mitarbeitenden und Angehörigen zur Verfügung gestellt werden.

12.02 Uhr: Rufe nach härteren Auflagen für soziale Netzwerke

Nach dem Anschlag von Magdeburg will CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann die Betreiber sozialer Netzwerke stärker in die Pflicht nehmen. „Wir fordern seit langem, dass die Arbeit der Ermittlungsbehörden erleichtert werden muss“, sagte Linnemann dem „stern“ (Montag/online). Die Betreiber sozialer Plattformen müssten verpflichtet werden, bei Verdachtsfällen stärker mit den Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren. Der Attentäter von Magdeburg war vor seiner Tat mehrfach in den sozialen Netzwerken als aggressiver Islamkritiker und AfD-Sympathisant aufgefallen.

9.51 Uhr: Terrorismusforscher: Amokfahrer war vermutlich psychisch krank

Aus Sicht des Terrorismusforschers Peter Neumann war der Amokfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt vermutlich psychisch krank. „Ich bin zwar kein Psychiater, aber aus meiner Sicht deutet vieles darauf hin. Er hatte Wahnvorstellungen und fühlte sich verfolgt“, sagte Neumann dem „Spiegel“ in einem am Montag online veröffentlichten Interview. Der Mann habe nicht verstanden, „warum ihm 2016 die Ausreise drohte, aber gleichzeitig die – seiner Meinung nach – falschen Flüchtlinge aus islamisch geprägten Ländern in Deutschland aufgenommen wurden“.

„Seinen Frust projizierte er auf die deutschen Behörden“, sagte Neumann, Professor für Security Studies am King’s College London. Am Freitagabend war ein 50 Jahre alter Arzt, der seit 2006 in Sachsen-Anhalt lebt und aus Saudi-Arabien stammt, mit einem Auto auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg gefahren. Fünf Menschen starben, mehr als 200 wurden verletzt. Der Mann war in den sozialen Netzwerken als aggressiver Islamkritiker und AfD-Sympathisant aufgefallen.

Neumann sagte dem „Spiegel“, die meisten Einzeltäter fielen wie auch der Attentäter von Magdeburg schon vor ihrem Anschlag öffentlich auf. „99 Prozent von ihnen werden ihre Drohungen aber wahrscheinlich nie in die Tat umsetzen“, sagte der Terrorismusforscher und fragte: „Wie also erkennen wir das eine Prozent, das tatsächlich gefährlich ist?“ Darauf habe noch niemand eine gute Antwort gefunden. „Ein Teil der Lösung ist möglicherweise Technologie. Ein weiterer Teil ist, dass die Sicherheitsbehörden die richtigen Leute einstellen, zum Beispiel mehr Psychologinnen und Psychologen“.

6.14 Uhr: Landkreistag muss einsehen: „Absoluten Schutz gibt es nicht“

Der Deutsche Landkreistag verweist nach dem Weihnachtsmarkt-Anschlag in Magdeburg darauf, dass es auch mit erhöhter Polizeipräsenz und mehr Kontrollen keine Sicherheitsgarantie geben kann. „Es gibt überall eine höhere Präsenz von Polizei- und Ordnungskräften und auch in Magdeburg sind die Zugänge polizeilich kontrolliert und Taschen durchsucht worden.“, sagte Landkreistags-Präsident Achim Brötel (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Es wird aber einen absoluten Schutz nicht geben können.“

Wegen der Gefahren durch Messerattacken seien die gesetzlichen Voraussetzungen bis hin zu generellen Verboten bereits deutlich verschärft worden, sagte er. Zudem seien Weihnachtsmärkte und ähnliche Veranstaltungen Orte der Begegnung und des Miteinanders. „Daher muss man bei aller abstrakten Gefahr auch mit Augenmaß vorgehen, damit sie es bleiben können.“ 

Am Freitagabend war ein – später festgenommener – Mann mit einem Auto auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast und riss fünf Menschen in den Tod. 200 weitere wurden verletzt.

(mit dpa/afp/epd)