Eine eigentlich ganz normale Straßenecke in Berlin-Neukölln. In den beiden Straßen lauter Wohnhäuser mit vielen Anwohnern, an der einen Ecke ein Späti gegenüber einem Café. Man könnte meinen, die Menschen, die hier leben, haben alles in ihrer Nähe, was das Leben in Berlin angenehm macht. Der S- und U-Bahnhof Neukölln nur wenige Gehminuten entfernt und direkt nebenan die Karl-Marx-Allee, die mit ihrem Angebot an Restaurants, Bars und Geschäften, diesem Teil der Hauptstadt richtig viel Leben einhaucht.
Alles da also – könnte man meinen. Doch die Anwohner in der Wipperstraße Ecke Braunschweigerstraße können diese eigentlich so begehrenswerte Wohnlage nicht so richtig genießen. Denn in dieser Gegend herrschen Zustände, die diese Straßenecke in Berlin-Neukölln zu einer Kreuzung machen, die alles andere als normal ist.
Berlin-Neukölln: Wenn der Kiez von Drogenhändlern beherrscht wird
Als unsere Reporterin sich auf den Weg an diesen Ort in Neukölln macht, fällt ihr zuerst auf, wie dreckig es hier ist – selbst für Berliner Verhältnisse wirklich außergewöhnlich dreckig. Neben überfüllten Mülltonnen liegt Müll auf den Gehwegen – mitten auf dem Kopfsteinpflaster liegt ein kaputter Schuh. Doch das ist nicht der Grund, warum sie hier ist. Vielmehr geht es um ein paar Männer, die auf einem kleinen Zaun um einen Baum sitzen und plaudern. Dass unsere Reporterin nicht hier hingehört, scheinen sie sofort bemerkt zu haben. Warum? „Ihnen gehört die Kreuzung“.
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R. (von der Redaktion anonymisiert) ist Anwohner der Wipperstraße und leidet, wie er im Gespräch mit unserer Reporterin erzählt, bereits seit zweieinhalb Jahren unter dem Drogenhandel an dieser Kreuzung – denn dieser ist alles andere als ein Geheimnis. „Die Problematik rund um den Drogenhandel und den -konsum in diesem Bereich ist mir bekannt“, schreibt die Berliner Abgeordnete Derya Çağlar (SPD – Wahlkreis Neukölln) auf Nachfrage.
Zwischen Politik und Polizei
Und auch die Polizei ist bestens informiert. Denn sie ist immer wieder vor Ort. „Laut Auskunft der Polizei wurden allein in den letzten 14 Monaten [Stand April 2025, Anm. d. Red.] Maßnahmen im Umfang von über 1.600 Einsatzkräftestunden durchgeführt. Darüber hinaus wurde ein umfangreiches Bandenstrukturverfahren wegen gewerbsmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln eingeleitet, das gezielt gegen die Szene im Bereich der Braunschweiger Straße gerichtet war.“
Wie R. erzählt, scheint das aber wenig Wirkung zu zeigen. Denn er und seine Nachbarn begegnen täglich den immer gleichen Männern auf dieser einen Kreuzung in Berlin-Neukölln. „Mindestens eine Person ist immer da, manchmal sind es auch fünf, selten 15. Und dann sind da große teure Autos, die da einfach stehen.“ Er vermutet, dass in ihnen die Drogen gebracht werden.

Zwar sei die Polizei immer für die Anwohner in der Nachbarschaft verfügbar. R. hat sie bereits ein paar Mal gerufen – so auch andere Nachbarn. „Aber mir wurde immer der Satz dazu gesagt: ‚Wir können sonst nichts machen. Ich kann jetzt eine Streife schicken, aber danach wird nichts passieren. Selbst wenn wir sie festnehmen, kommen die morgen wieder frei.'“ Die Polizei verweise auf die Politik und die zurück auf die Polizei. Ein Teufelskreis, dessen Schlinge sich immer weiter um die Nachbarschaft zieht.
Von Übergriffen und Morddrohungen
Die Nachbarn berichten auch von sexualisierten Übergriffen auf weibliche Nachbarn. R.s Partnerin lebt bereits seit über fünf Jahren hier. Auch sie „wird von ihnen sehr oft angepfiffen, belästigt und ihr wird hinterher geguckt.“ Wie auch andere vor ihm geht er direkt auf diese Personen zu. Doch was sie von ihnen zurückbekommen, ist die Meinung, sie seien immer hier gewesen und würden das auch bleiben. Sie machten hier ihre Sache, die Anwohner sollen sie einfach in Ruhe lassen und das andere Straßenende entlanggehen.
Doch damit nicht genug! Auch Morddrohungen würden hier ausgesprochen. „Dann hat der Typ zu mir gesagt – das hat er aber auch zu anderen schon gesagt: ‚Wenn ich herausfinde, dass du ein Bulle bist, dann töte ich dich.'“ R. ist Sanitäter. Er hat Angst, seine Uniform öffentlich im Kiez zu tragen.
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Auch P. (von der Redaktion anonymisiert) wohnt in der Wipperstraße in Neukölln. Sie bestätigt die vielen Polizeieinsätze in ihrer Straße. Und auch sie kennt die Männer, die hier immer sind. Belästigt wurde sie von ihnen aber noch nie – auch wisse sie nichts von solchen Vorfällen.
Von den sexualisierten Übergriffen habe auch die zuständige Politikerin Çağlar nichts gewusst, schreibt sie, nehme dieses Anliegen aber sehr ernst und stellt klar: „Die Menschen vor Ort dürfen nicht allein gelassen werden. Wenn wir die Anliegen bündeln, sichtbar machen und beharrlich nachhaken, können wir wirklich etwas bewegen.“
Das ist genau das, was R. und viele andere Anwohner der Wipperstraße in Berlin-Neukölln sich wünschen. „Ich will in Frieden leben – will meine Arbeit machen, ich will Sanitäter sein und meine Uniform tragen dürfen. Aber das ist hier nicht möglich.“ In Zukunft hoffentlich schon.