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Berlin: Experte skeptisch – so viel bringt ein Messerverbot wirklich

Das Messerverbot im ÖPNV ist beschlossene Sache. Doch ist das ganze ein Schritt in die falsche Richtung? Ein Experte hat eine klare Meinung.

© IMAGO/Steinsiek.ch

Verbrechen in Berlin: So viel Arbeit hat die Polizei in der Hauptstadt

Die Messerstecherei in der U12 in Berlin-Charlottenburg hat eine große Debatte in der Hauptstadt ausgelöst. Rückblick: Bei einer Fahrt am Samstag (12. April) gerieten zwei Männer in der U-Bahn aneinander. Einer von ihnen zückte ein Messer und stach auf den anderen ein. Und das so schwer, dass das Opfer kurz darauf aufgrund seiner Verletzungen verstarb.

Es ist nur eine von vielen Messerstechereien, die in den vergangenen Wochen und Monaten große Schlagzeilen gemacht hat. Die Politik will deshalb Konsequenzen ziehen. Doch welchen Preis hätte ein Messerverbot möglicherweise? BERLIN LIVE hat mit einem Experten gesprochen.

Berlin geht drastischen Schritt

Die Tat in Charlottenburg hat viele Menschen zutiefst erschüttert. Berlins Regierender Bürgermeister, Kai Wegner (CDU), wollte deshalb schnell Konsequenzen ziehen. Das kündigte er am Dienstag nach der Tat an. Am Donnerstagnachmittag (17. April) dann die Nachricht: Nach einer Videoschalte zwischen Vertretern des Senats, der Polizei und Bundespolizei, der BVG und der S-Bahn Berlin wurde ein allgemeines Messer- und Waffenverbot im ÖPNV beschlossen. 


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Nur wenige Stunden zuvor stellte der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Stephan Weh, allerdings klar, dass nur der Nahverkehr aus seine Sicht nicht ausreiche. Er plädiert dagegen für „ein rechtssicheres, berlinweit geltendes Messerverbot“, denn das „würde der Polizei dringend benötigte Handlungsspielräume eröffnen.“ Mit einem solchen Erlass hätten die Beamten die Möglichkeit, anlasslos im gesamten Stadtgebiet Taschen auf Messer hin zu kontrollieren.

In einer Zeit, in der es am Tag im Schnitt rund zehn Messerattacken gibt, sei das dringend notwendig, meint Weh. „Wer hier vor zu großen Eingriffsbefugnissen für die Polizei warnt, der muss den Menschen in unserer Stadt erklären, warum sie ihrer Polizei nicht vertrauen sollten.“ Für ihn gehe es dabei nicht um politische Symbolik, sondern um konkrete Schritte für mehr Sicherheit auf Berlins Straßen „– und um bessere Rahmenbedingungen für unsere Einsatzkräfte.“

Experte macht sich Sorgen

Ganz anders sieht das dagegen Mohamed Amjahid. Der Autor beschäftigt sich in seiner Arbeit schon seit über zehn Jahren mit Polizeigewalt und Racial Profiling. Gegenüber BERLIN LIVE weist er darauf hin, dass schon bei der Deklarierung des Leopoldplatzes, des Kottis und des Görlitzer Parks verschiedene Sicherheitsexperten skeptisch waren, „weil dieses Label in der Praxis kein Mehr an Sicherheit bringt, der Polizei aber Tür und Tor für die illegale Praxis des Racial Profiling öffnet“. Darunter waren der Kriminologe Dirk Baier oder der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus Vasili Franco.

Er selbst habe nach eigenen Aussagen in den vergangenen Wochen an diesen Orten schon öfter beobachten können, „wie die Polizei vor allem nicht-weiße Menschen herauszieht und zu angeblich zufälligen Taschenkontrollen auffordert“. Und daraus entstünden nun wiederum regelmäßig Konflikte, die Eskalationspotenzial mit sich bringen, so Amjahid weiter.

„Die zentrale Frage muss lauten: Was bringt mehr Sicherheit?“ Seiner Meinung nach wäre ein stadtweites Messerverbot „eine Nebelkerze“. Sie würde kaum gute sicherheitspolitische Effekte bringen, dafür aber illegales Racial Profiling fördern. Stattdessen sollte Berlin aus Amjahids Sicht auf mehr Investitionen in der Betreuung von Obdachlosen und Drogenabhängigen setzen, soziale Arbeit fördern, ausreichende Beleuchtung anbringen und nicht zuletzt auch an einem zuverlässigen Nahverkehr arbeiten. Denn „volle U-Bahnen und BVG-Frust führen zu mehr Konfliktpotenzial“, meint der Experte.


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Allerdings möchte er abschließend auch klarstellen: „Absolute Sicherheit wird es leider in einer Großstadt wie Berlin nicht geben können.“ Um dem Idealzustand aber ein Stückchen näher zu kommen, wünscht er sich, dass die Politik mehr auf die Wissenschaft eingeht und darauf aufbauend Maßnahmen einsetzt, die „sich lohnen“.