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Berliner Prostituierte von der Kurfürstenstraße feiern Weihnachten – „Einziges Geschenk, das ich bekomme“

In Berlin wird jedes Jahr ein Weihnachtsfest für Prostituierte auf der Kurfürstenstraße gefeiert. BERLIN LIVE war in diesem Jahr dabei.

Der berühmteste Straßenstrich Berlins befindet sich in der Kurfürstenstraße und drumherum.
© imago stock&people

Berlin: Das ist Deutschlands Hauptstadt

Berlin ist nicht nur Deutschlands Hauptstadt, sondern auch die größte Stadt der Bundesrepublik. Im Jahr 2022 wohnten 3,75 Millionen Menschen hier. Die Tendenz ist steigend. Zudem kamen im gleichen Jahr rund 10 Millionen Gäste für insgesamt 26,5 Millionen Übernachtungen in die Hauptstadt.

Sie gehören zu Berlin wie alle anderen Menschen in dieser Stadt auch – und doch werden sie von den allermeisten übersehen, ignoriert und sogar gemieden. Die Sexarbeiterinnen auf Berlins berühmtesten Strich in der Kurfürstenstraße in Schöneberg haben kein einfaches Leben – ganz im Gegenteil! Denn während die meisten Menschen in dieser Stadt im Warmen wohnen und arbeiten, stehen sie derzeit bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im Freien. Viele von ihnen zu leicht bekleidet und das auch noch stundenlang.

Meist haben die Frauen hier wenig zu lachen. Kriminalität, Drogenkonsum, Freier und Zuhälter, die sie schlecht behandeln, gehören für viele von ihnen zum Alltag. Doch an diesem Tag im Dezember strahlen die allermeisten Frauen, die an einer besonderen Adresse in der Kurfürstenstraße waren, über das ganze Gesicht. Anders als sonst wurden sie hier gerade liebevoll empfangen, reichlich versorgt und großzügig beschenkt. Auch BERLIN LIVE war in diesem Jahr bei diesem besonderen Event dabei.

Weihnachtsfest für die Frauen in der Kurfürstenstraße

Überall in der Stadt bereiten sich die Berliner auf das anstehende Weihnachtsfest vor. Die Frauen jedoch, die hier als Prostituierte arbeiten, nicht. Ihre Aufgabe ist es, für oftmals wenig Geld, ihren Körper zu verkaufen. Besonders in der Vorweihnachtszeit ist die Nachfrage groß, wie BERLIN LIVE in einem Gespräch mit einer Sexarbeiterin erfahren hat! Zeit und Geld für Geschenke haben die allermeisten nicht.


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Doch es gibt eine Gruppe an Menschen, die jedes Jahr zu Weihnachten ein Weihnachtsfest für die Prostituierten in der Kurfürstenstraße in Berlin veranstaltet. „Alabaster Jar“ ist eine Organisation der „Samaritans Purse“, einer evangelikalen Hilfsorganisation aus den USA, die auf der ganzen Welt vertreten ist – so auch in Berlin.

Hier haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, „das Leben der Frauen, die unfreiwillig in die Sexindustrie geraten sind, zu verändern“, wie sie auf ihrer Webseite schreiben. An Weihnachten haben sie eine zusätzliche Mission. „Wir wollen, dass sich die Frauen an Weihnachten gesehen und wertgeschätzt fühlen“, sagt Linda, eine der Verantwortlichen von „Alabaster Jar“ gegenüber BERLIN LIVE kurz bevor das Fest beginnt.

Eine „Hope Box“ als Geschenk

Im Vorfeld konnten Menschen sogenannte „Hope-Boxen“ für die Frauen packen. Darin sind Dinge wie Shampoo, Haarbürsten, Wärmepads, warme Socken und allerlei Dinge, die die Frauen besonders im Winter auf der Straße gut gebrauchen können. Die meisten Frauen kennen dieses Fest, das seit bereits vier Jahren gefeiert wird und freuen sich tagelang darauf. Manche machen sich extra für diesen Abend besonders hübsch.

Die "Hope Boxen" warteten am Anfang des Abends noch darauf, an die Prostituierten in der Kurfürstenstraße und Umgebung verteilt zu werden.
Die „Hope Boxen“ warteten am Anfang des Abends noch darauf, an die Prostituierten in der Kurfürstenstraße und Umgebung verteilt zu werden. Am Ende waren es 56 Frauen, die eine solche Box zu Weihnachten geschenkt bekamen. Credit: Sarah Fernandez/BERLIN LIVE

„Endlich wieder Shampoo!“, ist eine der Reaktionen, die unsere Reporterin an diesem Abend vor Ort zu hören bekommt. Oder: „Das ist das einzige Geschenk, das ich bekomme.“ Viele Frauen holen sich ihr Geschenk vor dem Eingang zum Gebäude in der Kurfürstenstraße ab und gehen gleich wieder – einige von ihnen begleitet von ihren „Aufpassern“.

Es geht um mehr als ein Geschenk

Doch die Prostituierten sollen nicht nur dieses Geschenk erhalten. Im kleinen Café in der Kurfürstenstraße, in dem sich die Gruppe engagiert, ist es sehr weihnachtlich. Ein festlich geschmückter Tannenbaum steht im Raum, überall sind Plätzchen auf Tellern. Außerdem gibt es heißen Kaffee, Tee, Kakao und Punsch für die Gäste. Und wer Hunger hat, bekommt eine warme Linsensuppe serviert.


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Ein Teil der 17 Freiwilligen an diesem Abend teilen die Geschenke aus, besuchen die Frauen auf der Straße, sprechen mit ihnen und beten für sie. Andere bedienen die Frauen im Café, sprechen hier mit ihnen, bringen ihnen Getränke und Essen an ihren Platz auf den Sofas und den Stühlen im warmen Raum. Viele kommen her, um sich aufzuwärmen – draußen sind es schließlich um die 0 Grad. Man singt Weihnachtslieder. Dann wird zusammen die Weihnachtsgeschichte erzählt. Die Stimmung ist liebevoll – sogar ausgelassen.

Am Ende dieses Abends in Berlin sind wirklich alle Beteiligten glücklich. Die, die Gutes getan haben und besonders aber die, denen Gutes getan wurde. Von den über 90 gepackten Boxen wurden 56 abgeholt. Für den Rest der „Hope Boxen“ hatten sich die Verantwortlichen bereits einen Plan B überlegt.