Die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt hat eine neue Kampagne gestartet, mit der sie die Berliner dazu aufruft, sich im Verkehr weniger aggressiv zu verhalten.
Um den Kernaussagen „Lass Dich nicht rasend machen“, „Dreh nicht gleich am Rad“ und „Komm mal raus aus dem Surfmodus“ auch optisch Gewicht zu verleihen, setzt man dabei auf bunte und haarige Plüschmonster, die „aufgeregte oder rücksichtslose Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger“ verkörpern sollen. Auf Social Media kam dies allerdings alles andere als gut an. Auch der Verein „Changing Cities“ erklärte sich gegenüber BERLIN LIVE skeptisch, ob diese Kampagne die Verkehrsteilnehmer zur Raison bringen kann.
Die neue Verkehrskampagne des Berliner Senats bekommt jede Menge Gegenwind
Ragnhild Sørensen, Pressesprecherin von „Changing Cities e.V.“ betonte zwar, dass die neue Kampagne des Berliner Senats gut gemeint sei – dennoch würde diese nicht dazu beitragen, die Gefahren im Straßenverkehr zu heben. „Es ist nichts Falsches daran, seine Politik erklären zu wollen und diese mit kommunikativen Maßnahmen zu unterstützen. Es ist sogar oft sehr hilfreich“, Sørensen. „Nur besteht die Politik des „Miteinanders“ vor allem darin, nichts zu tun und den Status quo aufrechtzuerhalten. Wenn Senatorin Bonde nun als einzige Lösung, den Berlinern Yoga-Übungen anbietet, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen, ist das einfach zu wenig.“
„Sie ist für den Schutz der Bürger zuständig,“ erklärte Sørensen gegenüber BERLIN LIVE. „Am Mittwoch (2. Oktober) wurden zwei Mädchen von Pkw-Fahrenden lebensgefährlich verletzt, am Montag (30. September) wurde eine Fußgängerin von einem Raser auf der Busspur am Kurt-Schumacher-Platz getötet – die Verharmlosung mit bunten, kuscheligen Verkehrsmonster und Yogaübungen tut wirklich weh.“
„Die Verharmlosung mit bunten, kuscheligen Verkehrsmonster und Yogaübungen tut wirklich weh.“
Bei X reagierten viele Berliner entrüstet auf die Kampagne des Verkehrssenats. „Jeden Tag werde ich in Berlin mindestens dreimal von Rechtabbiegern fast überfahren, obwohl ich ganz gelassen nach den Verkehrsregeln Fahrrad fahre“, schreibt ein User. „Vielleicht sollten sie lieber in eine bessere Infrastruktur (wie in vielen anderen europäischen Städten) investieren.“
Eine andere Followerin kommentierte: „Mich machen keine Kleinigkeiten rasend, sondern dass ich auf dem Rad ständig Lebensgefahr erlebe – weil eine gewisse Senatsverwaltung sich weigert sichere Radwege zu bauen.“ Ein anderer User formulierte den Slogan kurzer Hand um: „Sei kein hässliches Politikmonster, das Kinder deiner Autoideologie zum Frass vorwirft. Bleib Mensch: Tempo 30, Fahrradstraßen und Schulstraßen.“
„Changing Cities“ kritisiert die Verkehrspolitik des Berliner Senats
Auch für Ragnhild Sørensen von „Changing Cities“ steht fest, dass es nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben darf. „Wir haben seit sechs Jahren das Mobilitätsgesetz in Berlin, das viele, viele Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beinhaltet. Wenn der Senat es umsetzen würde, wären wir heute viel weiter. Wir wissen, was hilft: Tempo 30, sichere Fuß- und Radwege, Umbau von den gefährlichen Kreuzungen – kurzum sichere Infrastruktur, nicht Yoga.“
Gegenüber BERLIN LIVE kritisierte Sørensen: „Seit der Wiederholungswahl im Februar 2023 erleben Radfahrende und z.T. auch Fußgänger in Berlin, dass ihre Bedürfnisse konsequent ignoriert werden. Man bekommt das Gefühl, man ist in dieser Stadt gar nicht mehr erwünscht. Das ist um so absurder, wenn man sich den Berliner Modal Split anschaut, also die Zahl der zurückgelegten Wege.“
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„Nur etwa ein Viertel der Wege werden in Berlin mit dem Auto zurückgelegt, 75% mit ÖPNV, zu Fuß oder mit dem Rad – Tendenz steigend. Miteinander ist keine Politik, die alle in den Blick nimmt, wie immer behauptet wird. Es ist eine rückwärtsgewandte Politik für Autofahrende“, so die Pressesprecherin von „Changing Cities“.