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BVG: Fahrer erhebt schwere Vorwürfe – SO will doch keiner arbeiten

Die BVG macht seit Jahren immer wieder Schlagzeilen. Jetzt werden schwere Vorwürfe laut. Was steckt wirklich dahinter?

© BERLIN LIVE/Enzo Broszio

BVG-Bewerber packt aus: Wie familienfreundlich ist die BVG wirklich?

Wir sprachen mit BVG Bewerber Jeffrey der uns von seinem Versuch Busfahrer zu werden erzählt und was ihn davon abhielt.

Die BVG sucht seit Jahren händeringend neues Personal. Das sieht man an Litfaßsäulen, an Haltestellen-Anzeigen und an den Displays in den Fahrzeugen. Doch dem gelben Riesen scheinen noch immer Mitarbeiter zu fehlen. Aus Sicht eines Bewerbers könnte das Unternehmen daran selbst Schuld sein. Stichwort: schwierige Hürden bei der Bewerbung und fehlende Familienfreundlichkeit.

Und das, obwohl sich der Dienstleister genau damit brüstet. Doch die Geschichte eines Mannes lässt darauf hindeuten, dass das womöglich nur nach Außen gelebt wird. Er bewarb sich seit 2019 schon drei Mal bei dem Unternehmen. Geklappt hat das aber nie – aus eindeutigen Gründen.

BVG: Mehr Schein als Sein?

Die BVG ist einer der größten Arbeitgeber der Hauptstadt. Doch trotzdem streiken derzeit viele Mitarbeiter, ein „Weiter so“ ist für sie einfach nicht mehr möglich. Den 37-jährigen Jeffrey aus Berlin wundert das nicht. Er ist Busfahrer und bewarb sich als solcher bereits 2019, später folgten zwei Bewerbungen als U-Bahnfahrer. Alle drei endeten für ihn gleich. Er entschied sich gegen den Job.


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Bei seiner ersten Bewerbung war das Problem die ärztliche Untersuchung. Diese gehört bei allen Fahrern zum Standardprozedere bei der Einstellung, erklärt Jeffrey. Im Gespräch mit BERLIN LIVE berichtet er dabei von einer bekannten Situation beim Sehtest: „Ich sollte die mittlere Reihe vorlesen, bei der Symbole sein sollten.“

Doch in das Testgerät war keine Scheibe eingelegt. Somit konnte der Fahrer „weder die oberste noch die unterste oder die mittlere“ Reihe lesen, berichtet er. Als er die Ärztin auf den Fehler hinwies, stritt sie die Situation ab. Sie erklärte den Test für beendet und bat Jeffrey, ein eigenes augenärztliches Gutachten vorzulegen, wenn ihm wirklich etwas an dem Job läge. Sie fügte an, dass der Sehtest, den Jeffrey kurz vorher für die Verlängerung seines Busführerscheins ohnehin schon gemacht hatte, aus ihrer Sicht kein ausreichender Nachweis wäre.

Für den 37-Jährigen war ab diesem Zeitpunkt Schluss. Denn das geforderte augenärztliche Gutachten sollte 180 Euro kosten. „180 Euro für ein Bewerbungsgespräch, bei dem ich dann nicht mal hundertprozentig weiß, ob ich den Job bekomme oder nicht. Das lohnt sich nicht.“ Mit den Vorwürfen konfrontiert, erklärt eine Sprecherin der BVG, nicht zu wissen, warum in dem geschilderten Fall der vorhandene Test nicht anerkannt wurde. Allerdings „könnten falsche Methoden oder unvollständige Tests mögliche Gründe sein.“

„Es ist alles sehr anonym“

Doch von dem ersten Fehlschlag wollte Jeffrey sich nicht entmutigen lassen. Ein paar Monate später versucht er es erneut bei der BVG. Dieses Mal bewarb er sich als U-Bahnfahrer. Nach der ersten Bewerbungsrunde und einer Probefahrt im Fahrsimulator bekam er eine positive Rückmeldung von der BVG. Doch auch dieses Mal scheiterte die Einstellung. Denn im Laufe des Prozesses erfuhr Jeffrey von Umständen, die für ihn als Vater von zwei kleinen Kindern alles andere als tragbar sind.

Zunächst wäre das die Art der Urlaubsplanung, erklärt er. Von einem Bekannten, der ebenfalls bei der BVG arbeitet, erfuhr Jeffrey im Laufe der Bewerbung, dass der in seinen drei Jahren Betriebszugehörigkeit der Mann keinen einzigen Urlaub so genehmigt bekam, wie er ihn eingereicht hatte. Stattdessen wurden ihm einfach Urlaube zugewiesen. Für Jeffrey ein absolutes No-Go. „Was soll ich mit einer Woche Urlaub, wenn meine Kinder in der Schule sind und meine Frau arbeitet?“

Jeffrey wollte über Jahre unbedingt zur BVG. Geklappt hat das aber nie. Credit: BERLIN LIVE/Enzo Broszio

Wie oft so etwas passiere, lässt die BVG-Sprecherin auf Anfrage von BERLIN LIVE unbeantwortet. Sie betont dagegen, dass Eltern, die an Kita-Schließzeiten und Co. gebunden sind, im Regelfall bei ihren Wünschen bevorzugt würden. Zusätzlich hätten „alle Beschäftigten grundsätzlich auch die Möglichkeit, ihren Urlaub zu tauschen“. Jeffrey erklärt unter Berufung auf seinen Bekannten, dass das praktisch aber nicht umsetzbar sei. Denn er erzählte ihm, dass man sich in dem Unternehmen untereinander kaum kenne, schließlich fahre man in seiner Schicht ja alleine. „Es ist alles sehr anonym“, erklärt Jeffrey im Gespräch. Das Problem dabei: „Wie soll man einen Tauschpartner finden, wenn ich nicht mal einen Kollegenkreis habe?“

BVG: Flexibilität wird klein geschrieben

Doch das ist noch nicht alles. Denn auch die Schichtmodelle bei der BVG machten Jeffreys Plan einen Strich durch die Rechnung. In dem Unternehmen gibt es zwei verschiedene Modelle: den Haupt- und den Nebenturnus. Letzterer kommt mit einer normalen Arbeitswoche von Montag bis Freitag einher. Am Wochenende muss man nur ein mal im Monat arbeiten. Im Vergleich zum Hauptturnus ist das das goldene Ticket. Denn im Hauptturnus arbeitet man in der Regel fünf Tage und hat dann einen Tag frei. Wochentage sind dabei völlig egal. Heißt im Klartext: Reguläre, freie Wochenenden an einem Samstag und Sonntag gibt es so gut wie gar nicht.

Nur etwa vier Mal im Jahr ergeben sich diese durch die Art der Dienstplanung, erläutert Jeffrey. „Das ist für mich nicht tragbar. Man sieht sich ja dann gar nicht mehr.“ Für ihn war deshalb klar: Entweder er bekommt eine Stelle im Nebenturnus – oder er zieht seine Bewerbung zurück. Doch für dieses Dienstmodell gibt es lange Wartelisten, sagte man ihm. Im schlimmsten Fall wartet man bis zu zehn Jahre. Dann „ist die Kindheit vorbei. Da brauche ich keinen Nebenturnus mehr.“

Auf Anfrage äußert sich die BVG hier nur sehr verhalten. Die Sprecherin betont, dass man versuche, das Modell bevorzugt an Eltern, „insbesondere Alleinerziehende“, zu geben. Wie lang die Wartezeiten dabei allerdings sind, lässt die Sprecherin unbeantwortet. Sie erklärt: „Die BVG bietet eine Vielzahl von Turnusmodellen, die jeweils spezifische Regelungen und Bedingungen mit sich bringen. Aufgrund dieser Vielfalt ist es nicht möglich, allgemeingültige Aussagen zu treffen.“ Beim Blick auf die offenen Stellenanzeigen kommen in Bezug darauf allerdings Zweifel. Bei U-Bahnfahrern heißt es zum Beispiel: „Du arbeitest nach einer festen Dienstfolge.“ Und weiter: „In aller Regel steht diese Abfolge schon mehrere Jahre im Voraus fest.“

„Einfach mal blau machen“

Jeffrey zog seine Bewerbung deshalb zurück – doch das blieb nicht das einzige Mal. Denn Anfang 2025 versuchte der 37-Jährige es erneut, wieder als U-Bahnfahrer. Von Bekannten, die bei der BVG arbeiten, hörte er zu dem Zeitpunkt, dass in einer Fahrdienstgruppe eine Stelle im Nebenturnus frei geworden sei. Er witterte seine Chance.


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Doch auch dieser Versuch blieb vergeblich – denn schon im Bewerbungsgespräch platzte die Bombe. „Laut dem Recruiting-Team, soll der Nebenturnus abgeschafft werden. Es soll zukünftig nur noch den Hauptturnus geben.“ Das soll die Planbarkeit des Schichtdienstes vereinfachen, hieß es. Für Jeffrey ist die Entscheidung, mehr als verwunderlich. „Wie das funktionieren soll, habe ich nicht verstanden. Wenn man sich mit den Fahrern unterhält, dann sind die alle jetzt schon unzufrieden.“ Das mache sich bereits an den hohen Fehlzeiten bemerkbar, meint er.

Aus seinem Umfeld habe Jeffrey den Eindruck, dass die fehlende Flexibilität und Familienfreundlichkeit viele dazu anstifte, „einfach mal blau zu machen“. Zum Beispiel, wenn die Kinder wichtige Termine hätten oder die Betreuung spontan wegfällt. „Mein Wunsch ist, dass die BVG mal versucht, ein bisschen auf die Mitarbeiter einzugehen.“ Nur so könne sie ihr Team langfristig aufbauen und halten, glaubt der 37-Jährige.


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Es ist eine Forderung, die auch viele andere Fahrer in den Vergangenheit schon gegenüber BERLIN LIVE und anderen Medien geäußert haben. Eigentlich sollten deshalb bereits letzten Sommer neue Modelle eingeführt werden, was die BVG kurz vorher auf unbestimmte Zeit verschob. Dass die BVG laut der Personalabteilung nun den beliebtesten Turnus gänzlich abschaffen will, könnte bei vielen Fahrern für Empörung sorgen. Auf Nachfrage weicht die BVG-Sprecherin diesbezüglich mehrfach aus, erklärt aber, dass der gelbe Riese bereits an neuen Modellen arbeite. (Mehr Details dazu hier)

Für Jeffreys Zukunft bei der BVG war das dennoch der endgültige Todesstoß. Nach so vielen Versuchen, nach so viel gutem Willen und dem Ziel, der BVG bei ihrem stark gepriesenem Fahrermangel zu helfen, sagt er klipp und klar: „Jetzt reichts!“ Er wolle nun bei anderen Unternehmen nach Stellen schauen. Abschließend sagt er: „Es wird sich schon noch die richtige Tür öffnen. Die BVG ist für mich jetzt aber erstmal Geschichte.“

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