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Peter Maffay: „Mein Egoismus hat mich manchmal ausgebremst“

75 Jahre und kein bisschen müde: Peter Maffay ist eine wahre Rock-Legende. Ein Interview über Kinder, Schlager und die eigene Meinung.

Peter Maffay
© IMAGO/Revierfoto

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Er ist einer der größten Stars dieses Landes. Eine echte Musik-Legende – Peter Maffay. Auf seiner großen Abschiedstournee begeisterte der 75-Jährige Zehntausende. Im Interview mit dieser Redaktion spricht Peter Maffay über seine Kinder, das Thema Haltung und seinen Übergang vom Schlagersänger zum Rockstar.

Sie haben einen sehr geräuschlosen Übergang vom Schlager in den Rock gewählt. Andere Künstler kamen damit nicht in dieser Art klar. Ist das eine persönliche Festigkeit, die Sie auszeichnet?

Es ist auf jeden Fall keine Doktorarbeit. Es hat sich einfach so ergeben. Bevor ‚Du‘ entstanden ist, gab es ja auch schon Musik. Wir waren eine der zehntausend Schülerbands, die irgendwo in den 60er-Jahren entstanden sind. Ich wollte aber unbedingt einen Schallplattenvertrag, die wuchsen nicht auf den Bäumen. Damals gab es Plattformen wie ‚The Voice‘ noch nicht.

Dass Michael Kunze auf mich aufmerksam wurde, war ein Glücksfall. Irgendwann nach dem dritten Versuch, ‚Du‘ zu wiederholen, habe ich aber gesagt: Wenn wir das zu oft machen, dann geht das nach hinten los.‘ Daraufhin gab es etwas Sand im Getriebe, aber wir haben uns behauptet und schon bald kam die Drehung. Nicht zuletzt, weil ich wieder mit Bandmitgliedern zu tun hatte, die anders unterwegs waren. Es dauerte dennoch zehn Jahre, bis ‚Steppenwolf‘ kam. Aber als das Album dann da war, war das ein Schritt auf eine andere Ebene.

Das war ein Risiko.

Ja, das hätte schiefgehen können. Der stilistische Bruch hätte auch dazu führen können, dass man in der Versenkung verschwindet und das war’s. Aber es gibt solche Augenblicke im Leben, in denen man sagt: Es geht einfach nicht anders. Ich will das so nicht mehr weitermachen. Alles andere führt irgendwann in einer anderen Form ins Aus.

Stimmt es, dass nicht Michael Kunze selbst, sondern seine Frau Sie entdeckt hat?

Stimmt, das war Roswitha Kunze. Wir spielten im Songpalast in München, das war eine Kleinkunstbühne, in der alle für einen Zehner und ein paar Bier auftraten, was damals eine stattliche Gage für mich war. Da kam sie rein und sagte: ‚Ich würde Sie gerne mal meinem Mann vorstellen.‘ Michael hat mir – Schlager hin, Schlager her, für mich ist das nicht weniger wertvoll als irgendeine andere Musik – sehr geholfen. Ich verdanke ihm viel.

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Sie distanzieren sich ja auch nicht von Ihrer Schlagervergangenheit.

Erstens einmal ist ‚Du‘ ein geiler Song, eine tolle Komposition. Bei dem Text kann man sich jetzt mit der rechten Hand am linken Ohr kratzen. (lacht). Das muss man nicht so tierisch ernst nehmen. Wir haben niemandem mit dem Lied verletzt. Auf der letzten Tour haben wir ‚Du‘ direkt als drittes Lied gespielt, und es hat sehr viel Spaß gemacht. Ich sehe dann plötzlich Leute, und das war sehr amüsant, die bei der Entstehung von ‚Du‘ noch gar nicht auf der Welt waren, vielleicht noch nicht einmal geplant, und die singen das Lied mit. Traumatisiert durch die Eltern vermutlich (lacht).

Stichwort Eltern. Sie sprechen stets sehr liebevoll über Ihre Kinder. Was für eine Art Papa sind Sie für Ihre kleine Tochter Anouk?

Ich nehme, so gut ich kann, an den Entwicklungsstufen, die Anouk macht, teil. Das ist ja auch der Grund, warum wir, was Tourneen angeht, auf die Bremse treten. Ich glaube, dass ich jetzt in meiner Lebensphase offenere Augen habe als vorher. Vorher hat mich mein eigener Egoismus manchmal ausgebremst. Ich habe mehr an das gedacht, was ich mache, und wie wichtig das ist. Jetzt verschieben sich die Prioritäten erheblich.

Ich verfolge auch, was Yaris macht. Er ist gerade unterwegs und spielt seine erste eigene Tour. Bis jetzt hat er im Background unserer Band gesungen und den Gegenwind noch nicht so abbekommen. Den habe ich immer in Empfang genommen. Jetzt muss er das selbst machen.  Aber ich freue mich für ihn. Jetzt ist er der Kapitän und muss das Schiff irgendwie steuern. Er kann nur daran wachsen.

Bei der Kleinen ist das genauso. Sie fängt gerade an zu malen und zu basteln. Neulich hat sie mir einen Filzfisch gezeigt und gesagt: Den habe ich gemacht. Ich habe mir den angesehen und dachte: Wow, der ist so geil gemacht, den hat sie irgendwo geschenkt bekommen, oder in einem Laden gekauft. Aber nein, den hat sie selbst gemacht. Sie hat mir genau erklärt, wie sie die Augen eingesetzt und geklebt hat … genial.

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Apropos Kunst. Bei Verstehen Sie Spaß gab es den Scherz mit Johannes Oerding. Nun hat er sich das Tattoo wirklich stechen lassen. Ziehen Sie nach?

Das kommt noch. Ich muss nur noch die richtige Stelle finden (lacht).

Gibt es schon eine favorisierte Stelle?

Nein, aber ich finde schon eine (lacht).

Sie sagten vorhin während der Buchvorstellung, dass in dem Wort Unterhaltung auch das Wort Haltung steckt. Hat man als Künstler in diesen Tagen nicht fast schon die Pflicht, sich zu gesellschaftlichen Themen zu äußern?

Ich komme  aus einer kommunistischen Diktatur, in der es gefährlich war, sich zu artikulieren. Wenn ich die Klappe zu weit aufgerissen hätte, wäre mein Vater in den Knast gegangen. Das ist er sowieso. Also haben wir gelernt, die Klappe zu halten und uns mit bestimmten Themen nicht zu beschäftigen. Ich musste erst in Deutschland lernen, mich mit gesellschaftlichen Umständen und solchen Dingen auseinanderzusetzen. Da war ich 14 Jahre alt. Später bei ‚Du‘ war ich 20. Ich habe also zwanzig Jahre verpennt, mich darin zu schulen, Stellung zu beziehen. Deswegen kam das erst viel später.

Die Leute, die in unsere Konzerte kommen, haben jedoch ein Recht zu wissen, wo man steht. Und wofür man steht. Ich glaube aber nicht, dass man daraus eine Verpflichtung ableiten sollte. Das muss jeder für sich entscheiden. Wenn jemand sagt, ‚ich artikuliere mich anders, packe das aber nicht in die Musik, weil ich damit unterhalten will‘, ist das für mich legitim. Aber sich grundsätzlich zu Themen der Zeit zu äußern, halte ich schon für wichtig.



Man hört so oft, dass man heute nicht mehr sagen darf, was man denke. Sehen Sie das auch so?

Nein. Wir müssen das, was wir haben, nämlich die freie Meinungsäußerung, nutzen. Wir dürfen sie jedoch nicht missbrauchen. Aber unser gesellschaftliches Verständnis ist es, selbstbestimmt zu leben. Und selbstbestimmt zu leben, bedeutet, sich zu positionieren und zu artikulieren. Wenn wir ausweichen, weil andere Druck auf uns ausüben und uns dadurch nicht erkennbar zeigen, machen wir den Weg frei für Veränderungen in unserer Gesellschaft, die wir nicht wollen.

Im Augenblick gibt es eine unheimliche Polarisierung, wenn es um die Frage geht, wie man die Konflikte beenden kann. Mit Waffen oder durch Diplomatie. Im Augenblick erlebe ich eine Vitalisierung bei denen, die glauben, dass man mit Waffen Konflikte lösen und Frieden schaffen kann. Es gibt Entwicklungen, wo nichts anderes mehr machbar scheint. Dennoch werden wir uns bemühen müssen, in einem Dialog zu bleiben. Selbst, wenn es unheimlich schwerfällt, weil die Verursacher der Konflikte durch Gräueltaten, die kaum zu beschreiben sind, große Schuld auf sich geladen haben: Wir werden nicht anders können, als miteinander zu reden.

Das Interview wurde im Rahmen der Vorstellung von Peter Maffays Bildband „Peter Maffay. Kein Weg zu weit“ (erschienen im Klartext-Verlag) geführt. In ihm zeigt der Sänger nicht nur Bilder seiner 55 Jahre andauernden Karriere, sondern schildert auch die Situationen, in denen sie entstanden sind. Das ganz persönliche Werk eines Ausnahmekünstlers.