Noch steht die neue Bundesregierung nicht offiziell, doch läuft alles auf eine Koalition von CDU und SPD hinaus. Eine Regierung aus der stärksten und der drittstärksten Kraft, denn die Partei, die die zweithöchste Stimmzahl erreicht hat, ist die AfD – mit der niemand koalieren will.
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Trotzdem hat die in Teilen rechtsextreme Partei einiges zu sagen und wird die Arbeit im Bundestag erheblich beeinflussen können. Was genau wir in der nächsten Legislaturperiode von der AfD und ihren politischen Gegnern zu erwarten haben, hat unsere Redaktion den Politikwissenschaftler Uwe Jun gefragt.
Experte über Bundestag: „Keine Form der Kooperation“
Jun, der sich an der Uni in Trier unter anderem mit Parteien- und Parlamentarismus-Forschung beschäftigt, erklärt, dass die AfD die Bundestags-Bühne jetzt noch mehr für sich nutzen kann. „Die AfD tritt nun an prominenterer Stelle auf, was ihr Rederecht betrifft. Sie kann prominente Ausschüsse mit Vorsitzenden bestücken und ist dort auch allgemein stärker vertreten. Außerdem kann die AfD so ihre Themen viel besser platzieren.“
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Wenn die Koalition aus CDU/CSU und SPD zustande komme, stelle die AfD eine Art Oppositionsführerin dar, so Jun. Das bedeutet, dass sie ihre Punkte auf die Agenda bringen kann. „Das Thema Migration wird sicherlich eine wichtige Rolle spielen, weil es ihr Kernthema ist und weil es Wähler und Partei eng miteinander verbindet.“ Außerdem seien Fragen der Finanz- und der Wirtschaftspolitik zu erwarten, so der Politikwissenschaftler.
Das habe die AfD schon im Wahlkampf versucht herauszustreichen, und „da sieht sie Angriffspunkte gegenüber der Bundesregierung“. Im Ton seien von Weidels Partei Polarisierung und Frontalangriffe zu erwarten.
„Die AfD neigt immer dann zu Polarisierungen, wenn die Bundesregierung aus ihrer Sicht nicht angemessen agiert.“ Solche von ihr als Fehler gesehene Handlungen der künftigen Regierung werde die AfD für sich zu nutzen wissen – eine Strategie, die die Partei seit jeher erfolgreich fährt.
Werden andere Parteien mit der AfD kooperieren?
Ein großer Skandal im Vorfeld der Bundestagswahl war, dass die CDU mit Hilfe der AfD über Migrationsfragen abgestimmt und durch sie eine Mehrheit erreicht hat. Immer wieder wird diskutiert, ob die viel zitierte Brandmauer steht und ob sie sinnvoll ist. Werden also die Parteien im neuen Bundestag mit der AfD zusammenarbeiten, um zu bekommen, was sie wollen?
Jun erklärt: „In Koalitionsverträgen steht immer, dass man nicht mit wechselnden Mehrheiten abstimmt. Das heißt, dann werden CDU/CSU und SPD gemeinsam abstimmen. Außerdem kann man sich nicht vorstellen, dass Grüne und Linke in irgendeiner Weise mit der AfD abstimmen werden. Dass sie irgendwo mitzustimmen, kann ja niemand verhindern, aber die Konstellation ist so, dass es zu keinerlei Form der Kooperation kommt.“ Zumindest dann, wenn die Koalition aus CDU/CSU und SPD zustande komme.
Reißen sich CDU, SPD und Grüne jetzt endlich zusammen?
Vielen Wählern ist auch wichtig, dass alle anderen Parteien vernünftige Politik machen und Kompromisse finden. Der von der FDP angeleitete Ampelbruch wurde von den Wählern stark abgestraft, Lindners Partei sitzt nicht im neuen Bundestag. Auch die CSU schießt immer wieder in Richtung der Grünen. Werden sich die Parteien, die sich schließlich als demokratisches Gegengewicht zur AfD positionieren, in der neuen Legislaturperiode zusammenraufen?
Juns Einschätzung: „Wenn diese Koalition zustande kommt, dann haben wir klare Konstellationen. Auf der einen Seite die Koalition, auf der anderen Seite zwei Parteien, die sich links der Mitte platzieren, und eine am rechten Rand.“ Es bleibe abzuwarten, ob die Grünen stärker in die linke Richtung tendieren oder nicht.
Die Grünen sind „staatstragend“ – Können sie die Politik stabilisieren?
„Man hat nun keine verfassungsändernde Mehrheit mehr. Wir sehen aber, dass die drei Parteien Union, SPD und Grüne willens und fähig sind, in entscheidenden Fragen zusammenzuarbeiten.“ Das habe man in der letzten Woche beim Sondervermögen beobachten können, so der Politikwissenschaftler.
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„Die Grünen haben sich in der Vergangenheit als eher verantwortungsbewusst und staatstragend gezeigt. Das werden sie sicherlich beibehalten. Aber Verfassungsänderungen sind dann ohne die AfD und die Linke nicht mehr möglich, und insofern wird es, wenn die Koalition zustande kommt, kaum noch notwendig sein, mit den Grünen enger zu kooperieren.“