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Kampfwort „Remigration“: Was die AfD in Deutschland wirklich vor hat

Die AfD wirbt vor der Bundestagswahl mit Remigration und „Rückführen im großen Stil“. Was jetzt auf uns alle zukommen könnte.

AfD
© IMAGO/Sven Simon

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2023 wurde Remigration zum „Unwort des Jahres“ gekürt. Das wurde von der Jury damals damit begründet, dass „das Wort in der Identitären Bewegung, in rechten Parteien sowie weiteren Gruppierungen zu einem Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen geworden“ ist.

Knapp ein Jahr später steht das Wort nun im AfD-Wahlprogramm für die Bundestagswahl. Und das, obwohl die Partei sich zuvor lange gewehrt hat, den Begriff offiziell zu verwenden. Doch beim Parteitag im Januar brach Spitzenkandidatin Alice Weidel unter großem Jubel das Tabu: „Wenn es Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration.“ Aber was genau meint die AfD eigentlich damit? Und inwiefern unterscheidet sie sich damit noch zu der Identitären Bewegung?


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AfD bricht mit „Remigration“ ein Tabu

Der Begriff Remigration wird eigentlich in der Sozialforschung genutzt. Er beschreibt die freiwillige Rückkehr von Migranten in ihr Herkunftsland. Doch diese Wertfreiheit hat der Begriff in den vergangenen Jahren verloren, erklärt Phillipp Adorf gegenüber „BR24“. Er ist Politikwissenschaftler und Soziologe an der Universität Bonn.

Mittlerweile aber hat sich die Neue Rechte den Begriff zu eigen gemacht. „Da beinhaltet das Sprechen von Remigration eine grundsätzliche ideologische Wende: Die negativen Seiten von Migration sollen sich in den Köpfen der Menschen festsetzen“, erläutert Adorf. Das passiere häufig, indem man die Verschwörungserzählung eines „Bevölkerungsaustauschs“ ins Spiel bringt. Insgesamt gibt es in rechten Kreisen drei Lesarten des Begriffs Remigration.

  1. Teilweise ist die Rede davon, dass ausreisepflichtige Ausländer konsequenter abgeschoben werden sollen. Also etwa jene, die keinen Aufenthaltsstatus im Land haben. Das wäre im Grunde die Umsetzung geltenden Rechts.
  2. Andererseits geht es aber auch um alle Geflüchtete, die in ihrer Gesamtheit generell außer Landes gebracht werden sollen, selbst jene mit anerkannten Schutzstatus.
  3. In der völkischen Radikalauslegung geht sogar darum, dass sogar eingebürgerte deutsche Staatsbürger mit Migrationsgeschichte das Land verlassen müssen – mit Druck oder Zwang. Das wäre ein Bruch des Grundgesetzes und ist die extremste Form.

Das steht im Wahlprogramm der AfD

Doch was genau meint nun die AfD mit ihrem Ziel der Remigration? Im Wahlprogramm heißt es, dass man das bisherige „Staatsversagen“ umkehren will. Dass soll passieren, indem „ausreisepflichtige Personen konsequent“ abgeschoben werden sollen. Zudem sollen „bestehende Fehlanreize (Bürgergeld, Bleiberechte für Ausreisepflichtige, Turboeinbürgerung)“ abgestellt werden.

Daneben wolle man „die Ausweisung ausländischer Gefährder, Extremisten und schwerer Straftäter erleichtern“. Insbesondere, wenn sie im Bereich von „Gewalt-, Drogen- und Sexualdelikten sowie bei der organisierten und Clankriminalität“ aufgefallen sind. Hinzu kämen außerdem Ausweisungen bei Geflüchteten, deren Fluchtgrund wegfällt. Dieses Kriterium sieht die AfD zum Beispiel bei Syrern gegeben. Im Prinzip spricht die Partei also nur vom ersten Kriterium der oben genannten Lesarten. Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit wären von der Remigration also nicht betroffen.

Will AfD einem Verbotsverfahren keine Argumente liefern?

Allerdings sollte man spezielles Augenmerk auf den Punkt legen, dass das Bleiberecht für Ausreisepflichtige abgeschafft werden soll. Das gilt laut dem Informationsverbund Asyl & Migration für Menschen, die aus Gründen, für die sie selbst nichts können, nicht ausreisen können. Zusätzlich muss bei ihnen das Kriterium erfüllt sein, dass der „Grund in absehbarer Zeit wegfallen wird.“


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Gemeint sind damit zum Beispiel langfristige Krankheiten aber auch das Fehlen von Verkehrsverbindungen oder wichtigen Dokumenten, die für eine Ausreise notwendig wären. Nach dem Plan der AfD soll sich das ändern. Damit könnte zum Beispiel auch eine schwer kranke Person abgeschoben werden. Allerdings: Um die von der Partei häufig thematisierten Abschiebungen nach Afghanistan umzusetzen, müsste man Verhandlungen mit der dort herrschenden Taliban aufnehmen. Dies käme einer Anerkennung der Terrororganisation als Staatsregierung gleich und wurde deshalb bislang weitestgehend vermieden.

Insgesamt plant die AfD laut ihres Wahlprogramms also keine Remigration von Staatsbürgern mit Migrationshintergrund. Laut Politik-Experte Phillipp Adorf könnte das aber auch Kalkül haben. Denn die Partei müsse darauf achten, einem potentiellen Verbotsverfahren keine Argumente zu liefern. „Deshalb wird man die Forderung, dass ’nicht assimilierte‘ deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund das Land verlassen müssen, nicht niedergeschrieben finden.“


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Dennoch ist allein die Verwendung des Begriffs ein Statement. Denn je häufiger ein Begriff verwendet wird, desto normaler, desto unaufgeregter wird er. In Bezug auf die Verwendung bei der Identitären Bewegung erklärt Constanze Spieß, Sprecherin der Unwort-des-Jahres-Jury, gegenüber dem NDR: Der Euphemismus, die bewusste Umdeutung von wissenschaftlichem Vokabular, habe das Ziel, „die tatsächlichen Absichten zu verharmlosen, zu verschleiern und nicht bekannt zu geben.“

Einzug „in den allgemeinen Sprachgebrauch“

Durch den Einzug „in den allgemeinen Sprachgebrauch“ könne sich „der migrationspolitische Diskurs in Richtung einer Normalisierung von rechtspopulistischen und rechtsextremen Positionen“ verschieben. Publizistin und Rassismus-Expertin Gilda Sahebi fürchtet, das genau das jetzt langsam passiere. Einerseits, weil die AfD ihn nun verwende. Andererseits, weil die inhaltlichen Forderungen auch von der CDU angestrebt werden. Zwar benutzen die Christdemokraten den Begriff nicht selbst, verbreiten die gleichen Ziele aber unter dem Aspekt der Sicherheit, so Sahebi gegenüber dem WDR. Von massenhaften Deportationen sprechen im Moment zwar weder die AfD noch andere Parteien – doch Tendenzen im Sprachgebrauch bewegen sich in vergleichbare Richtungen.