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Krude Bürgergeld-Story eines Arbeitgebers – „70 Mitarbeiter haben gekündigt“

Diese Erzählung wirft Fragen auf! Ein Arbeitgeber klagt über das angeblich zu attraktive Bürgergeld. Doch es gibt heftige Kritik.

Bürgergeld: Arbeitgeber schildert seine Erfahrungen
© IMAGO/Bihlmayerfotografie

Das ist das Bürgergeld und so viel steht jedem zu

Wir verraten dir in diesem Video alles, was du über das Bürgergeld wissen musst.

Im Gespräch mit der bekannten Journalistin Nena Brockhaus wettert ein Unternehmer gegen das Bürgergeld. Christian Hamer betreibt 65 Fotostudios in ganz Deutschland. Er schildert seine Erfahrungen. Die Sozialleistung stellt er als zu attraktive Konkurrenz für Angebote dar, die Arbeitgeber machen können.

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Im Netz hagelt es Kritik an dieser Darstellung. Tatsächlich wirft das Interview einige Fragen auf.

Arbeitgeber behauptet: „Mitarbeiter sind lieber ins Bürgergeld gegangen“

So behauptet Hamer im Gespräch für den „Focus“: „Bei uns haben knapp 70 Mitarbeiter gekündigt und sind lieber ins Bürgergeld gegangen.“ Er erzählt von einem Mitarbeiter, der forderte, dass Hamer seine Nebenkostenabrechnung von knapp 2.000 Euro übernehmen sollte. Er erklärte mir: Wenn er kündigt und Bürgergeld beantragt, dann würde das Amt seine Nebenkostenabrechnung übernehmen.“

Sowieso habe der Fotostudio-Unternehmer den Eindruck, dass die staatliche Leistung viel zu anziehend gestaltet sei. „Ich habe das Gefühl, dass die Regierung möchte, dass Menschen Bürgergeld empfangen.“

„Wer begibt sich freiwillig in die Abhängigkeit der Arbeitsagentur?

Andererseits räumt er aber ein, dass das Nettoeinkommen in der Regel schon höher sei. Doch der Vergleich hinke, denn viele Bürgergeld-Empfänger würden mit Schwarzarbeit zusätzliche Einnahmen haben. „Wenn man das mit einberechnet, lohnt sich reguläre Arbeit für bestimmte Lohngruppen leider nicht.“

Im Netz gibt es massive Kritik an den Erzählungen des Mannes. So schreibt ein X-Nutzer unter dem Beitrag der Journalistin Brockhaus:

„Wer seinen Arbeitsplatz kündigt, erhält nach einer Sperrzeit zunächst Arbeitslosengeld. Es kann also kaum jemand ‚ins Bürgergeld‘ gehen. Abgesehen davon: Wer begibt sich schon freiwillig in die Abhängigkeit der Agentur für Arbeit? Pflichttermine, ständige Bewerbungen für ggf. schlechte Jobs etc. Bevor ich das freiwillig mache, müssen die vorherigen Arbeitsbedingungen noch mieser gewesen sein.“

Auch andere finden die Erzählung seltsam: „Das ist kompletter Quatsch. Niemand bekommt Bürgergeld, wenn er einfach so kündigt.“ Ein weiterer Leser sieht das Interview kritisch: „Der Mann redet viel Unsinn. Die Jobcenter übernehmen keine Altschulden aus Nebenkostenabrechnungen. Arbeiten die Studioleiter auf Selbstständigen-Basis oder weshalb fallen sie angeblich gleich ins Bürgergeld?“


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Andere fragen sich, wie niedrig die Gehälter in den Fotostudios sein müssen, sollten wirklich Dutzende lieber den Weg zu den Jobcentern gewählt haben. „Als Arbeitgeber würde ich mich schämen, sowas auch noch an die große Glocke zu hängen“, meint ein Leser auf X.

Wer wiederholt „zumutbare Arbeitsangebote“ ablehnt: 30 Prozent weniger Regelsatz

Sowieso ist es fraglich, ob das Bürgergeld tatsächlich so ein Schlaraffenland ist. Neben dem überschaubaren Regelsatz von 563 Euro pro Monat gibt es sehr wohl Druck und Sanktionen bei Pflichtverletzungen.

Wer zumutbare Arbeitsangebote ablehnt, dem wird der Bürgergeld-Regelsatz nach dem derzeit gültigen Gesetz um zehn Prozent für einen Monat gekürzt. „Bei einer zweiten Pflichtverletzung sind es 20 Prozent für zwei Monate und in der dritten Pflichtverletzung 30 Prozent für drei Monate“, teilt die Bundesregierung mit.