Es hat ganz harmlos angefangen: Mona F. geht mit Freunden in einen Techno-Club in Wien. Dort tanzt sie, hat Spaß – bis sie plötzlich zusammenbricht. Dann beginnt die Hölle für die junge Frau. Die Konsequenzen ziehen sich lange über den Abend hinaus. K.O.-Tropfen und Streit mit der Krankenkasse treiben die deutsche Studentin auch ein halbes Jahr später noch um.
Den Rettungseinsatz muss die Deutsche selbst zahlen. Fast 800 Euro. Obwohl sie sich sicher ist, K.O.-Tropfen bekommen zu haben. Ob das auch in Deutschland passieren kann und worauf beim Verdacht auf K.O.-Tropfen zu achten ist, erfährst du hier.
Wer zahlt bei K.O.-Tropfen? Monas Kampf um Gerechtigkeit
Mona F. ist 22 Jahre alt und deutsche Studentin. Als es passiert, macht sie gerade ein Praktikum in Wien. An einem Sommerabend möchte sie mit ihren Freunden tanzen gehen. Der Abend entwickelt sich zum Albtraum.
Im Club tanzt Mona F., hat Spaß mit ihren Freunden. „Ich habe mir ein Getränk geholt und es nicht irgendwo rumstehen lassen, aber auch nicht so darauf geachtet, dass die Öffnung verdeckt ist.“ Doch dann ging plötzlich alles ganz schnell: „Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, dass mir plötzlich übel und schummrig wurde.“ Mona F.fühlt sich wie betäubt und kann ihre Gliedmaßen kaum wahrnehmen. Danach hat sie einen Blackout. Ihr Verdacht: Jemand muss ihr K.O.-Tropfen ins Glas getan haben.
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Mit einer Freundin geht Mona F. auf die Toilette, muss sich dort mehrmals übergeben. Ihre Freunde bringen sie nach Hause. Der Weg dorthin ist lang und beschwerlich, „weil ich nicht mehr gehen konnte und mich weiterhin mehrmals übergeben musste.“ In ihrer WG angekommen, bemerkt Monas Mitbewohner, dass sie unregelmäßig atmet, nach Luft ringt. „Ihm war mittlerweile klar, dass mir etwas ins Getränk getan worden sein muss. Wir haben alle Alkohol getrunken, aber nicht übermäßig. Ich kenne mein Limit. Mein Zustand war durch Alkohol nicht erklärbar.“
In seiner Sorge ruft Monas Mitbewohner den Rettungswagen. Die Sanitäter messen Monas Puls, der sei in Ordnung, meinen sie. „Ich versuchte auszudrücken, dass ich ins Krankenhaus gebracht werden wollte. Die Sanitäter rieten mir jedoch davon ab, da ich dort ‚nur‘ eine Infusion bekommen würde, und ich solle mich lieber zu Hause ausruhen. Ich hörte auf sie und blieb daheim, was sich später als großer Fehler herausstellte.“
Krankenkasse zahlt nicht: Opfer leiden doppelt
Die zwei Tage nach dem Vorfall sind ein Albtraum. „Ich weiß, wie sich ein Kater anfühlt, aber so wie nach dieser Nacht habe ich mich noch nie gefühlt. Mein ganzer Körper tat unbeschreiblich weh.“ Dazu hat sie hämmernde Kopfschmerzen und so starken Schwindel, dass sie kaum laufen kann. Doch nicht nur körperlich leidet Mona F. an den Folgen des Abends.
„Seit jenem Vorfall begleitet mich die ständige Angst, dass mir wieder jemand etwas ins Getränk tut.“
Einige Tage nach dem Vorfall erhält sie einen Brief von der Österreichischen Berufsrettung. Darin wird sie aufgefordert, fast 800 Euro für den Rettungseinsatz zu zahlen. Denn ihre Krankenkasse übernimmt die Kosten nicht. „Mit der Begründung, dass der Grund des Einsatzes selbstverschuldet sei.“
Die Nachricht schockiert Mona F. „Für mich ist unverständlich, wie es als Eigenverschulden angesehen werden kann, unwissentlich von Fremden unter Drogen gesetzt zu werden. Was passiert, wenn Menschen in Notsituationen aus Angst vor den Kosten keinen Rettungswagen mehr rufen? Wie lange dauert es, bis deswegen jemand stirbt?“
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Mona F. legt Einspruch gegen die Rechnung ein. „Ich dachte damals, dass alles gut ausgehen würde und die Behörden Verständnis hätten.“ Doch die Antwort der Rettung: Die Rechnung müsse beglichen werden. „Wenn ich es nicht täte, müsse ich meine Krankenkasse dazu bringen, es zu übernehmen.“ Das versucht Mona F.
„Die Krankenkasse riet mir, den Chefarzt der Rettungsstelle aufzusuchen. Er könnte mittels Ferndiagnose feststellen, dass K.O.-Tropfen im Spiel waren und somit den Grund des Rettungseinsatzes als nicht selbstverschuldet deklarieren.“
Vom Gesundheitssystem im Stich gelassen
Das tut sie, doch: „Dort trat ein Angestellter auf mich zu und teilte mir mit, dass ich gehen solle. Die Chefärztin hätte meinen Fall gelesen und glaube den Sanitätern, die in ihrem Einsatzprotokoll vermerkt hatten, dass ich an jenem Abend nur stark alkoholisiert gewesen sei.“ Mona F. kann nicht fassen, dass sie keine Chance bekommt, sich zu erklären. An dem Abend machen die Sanitäter weder einen Test auf K.O.-Tropfen noch auf Alkohol bei ihr.
Mona F. gibt nicht auf. Es geht ihr mittlerweile um mehr als das Geld. Sie fordert das Einsatzprotokoll an, streitet sich mit dem Rettungsdienst herum.
„Ich fühle mich vom Gesundheitssystem so im Stich gelassen. Wie kann es sein, dass die Opfer von K.O.-Tropfen wortwörtlich den Preis dafür zahlen müssen, ein Opfer zu sein? Wie kann es sein, dass uns kein Gehör geschenkt wird, dass uns keiner glaubt oder überhaupt versucht, uns zu verstehen?“
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.„Rüttelt erst ein Toter die Leute wach? Ich hoffe inständig, dass Frauen trotzdem stark bleiben und ihre Geschichten erzählen. So lange, bis sich endlich etwas ändert.“
Mona F. ist Deutsche. Für die Zeit in Wien ist sie aber bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), einer der größten österreichischen Krankenkassen, versichert. Ein Pressesprecher der ÖGK erklärt zu Monas Fall auf Anfrage: „Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen übernimmt die Österreichische Gesundheitskasse Transporte nur als begleitende Leistung zu einer Krankenbehandlung – also nur zu und von einer Behandlungsstelle. Die Kosten können also nur dann mit der ÖGK verrechnet werden, wenn auch eine Krankenbehandlung stattfindet und abgerechnet wird.“
So sieht’s in Deutschland aus
Da Mona F. zwar zu Hause von den Rettungssanitätern untersucht, aber nicht ins Krankenhaus gebracht wurde, liegt keine Krankenbehandlung vor und somit auch keine Zahlungspflicht der Krankenkasse. Auf den Vorwurf der Selbstverschuldung, der Mona F. ihren Berichten nach gemacht wurde, geht die Krankenkasse unserer Redaktion gegenüber nicht ein.
Besteht der Verdacht, K.O.-Tropfen verabreicht bekommen zu haben, sei es ratsam, auf einen Transport in ein Krankenhaus zu bestehen und eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten. „Wird der Verdacht medizinisch bestätigt und eine entsprechende Krankenbehandlung durchgeführt, werden die Transportkosten von der ÖGK übernommen“, so der Pressesprecher.
Doch wie sieht die Sache in Deutschland aus? Die Krankenkassen AOK und Barmer bestätigten übereinstimmend, dass hierzulande die Kosten übernommen werden, wenn „ein Transport in ein Krankenhaus tatsächlich erfolgt und die Rettungsfahrt medizinisch notwendig ist und durch den Notarzt entsprechend bescheinigt wird.“
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Die Krankenkassen übernehmen den Einsatz nur dann nicht, wenn der Rettungsdienst unter Vorspiegelung falscher Tatsachen unnötig anrückt oder wenn eine Eigenverantwortung besteht. Das seien aber nur wenige Fälle und nicht solche wie der von Mona F. Auch wenn der Verdacht auf eine Alkoholvergiftung besteht, der Patient also nicht direkt nachweisen kann, dass er Opfer von K.O.-Tropfen wurde, zahlt die Krankenkasse den Rettungseinsatz.
Du hast den Verdacht, Opfer von K.O.-Tropfen geworden zu sein? Melde Dich beim Opfer-Telefon des WEISSEN RINGS unter der kostenlosen Rufnummer 116 006. Täglich von 7 bis 22 Uhr.
Im Zweifel ist immer die 110 oder die 112 anzurufen.