Im Netz gibt es eine neue Verschwörungstheorie, die in AfD-nahen Kreisen kursiert. Demnach droht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier offen damit, die kommende Bundestagswahl zu annullieren, sollte ihm das Ergebnis nicht passen. Wenn also die Weidel-Partei zu stark abschneidet, könnte er die Wahl für ungültig erklären, so die Sorge.
Noch krasser: Das Staatsoberhaupt habe das selbst so in seiner Rede zur Auflösung des Bundestages nach der verlorenen Vertrauensfrage von Kanzler Olaf Scholz am 27. Dezember mitgeteilt. Stimmt das wirklich? Klingt alles ziemlich abstrus. Wir gehen dieser Spekulation auf den Grund und klären dich auf, was wirklich dahintersteckt.
Rechte Szene in heller Aufregung – alles wegen dieser Sätze des Bundespräsidenten
Der Blog „Tichys Einblick“ greift das Thema auf, in den Sozialen Netzwerken gibt es unzählige Clips, in denen sich rechte Influencer über Steinmeier empören. Auf YouTube hat es ein Video mit dem Titel „Steinmeier droht mit Annullierung der Wahl, wenn rechte Parteien gewinnen!“ sogar schon auf über 650.000 Aufrufe gebracht (Stand 4. Januar).
++ Auch spannend: Übler Verdacht gegen Elon Musk: Hat er beim AfD-Text gemogelt? ++
Woher kommt die ganze Aufregung? Anlass sind Aussagen des Bundespräsidenten am 27. Dezember. Er verkündete offiziell den Neuwahl-Termin am 23. Februar. Dabei fand Steinmeier mahnende Worte zum Wahlkampf, zu den neuesten Pro-AfD-Aktivitäten von Tech-Milliardär Elon Musk, der Teil der nächsten US-Regierung von Donald Trump werden soll.
„Ich erwarte, dass der Wahlkampf mit fairen, mit transparenten Mitteln geführt wird. Einflussnahme von außen ist eine Gefahr für die Demokratie – sei sie verdeckt, wie kürzlich offenbar bei den Wahlen in Rumänien, oder offen und unverhohlen, wie es derzeit besonders intensiv auf der Plattform X betrieben wird. Ich wende mich entschieden gegen alle äußeren Einflussversuche. Die Wahlentscheidung treffen allein die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland.“
Frank-Walter Steinmeier am 27. Dezember
Man braucht schon viel Fantasie, um aus diesen Sätzen eine Drohung Steinmeiers herauszulesen. Doch in der hysterischen AfD-Bubble wird genau das so interpretiert. Die rechte Influencerin Naomi Seibt behauptete danach auf X, das Establishment in Deutschland bereite eine „Tyrannei“ vor.
Steinmeier hätte gar nicht die Macht dazu
Jetzt mal alle durchatmen! Ja, Steinmeier verwies in seiner Rede auf Rumänien, wo laut Beschluss des Obersten Gerichts die Präsidentschaftswahl komplett wiederholt werden musste. Nach dem überraschenden Wahlsieg des prorussischen Kandidaten Calin Georgescu im ersten Wahlgang, gab es Vorwürfe bezüglich eines hybriden Angriffes durch den Kreml. Zudem kann aus AfD-Perspektive sicherlich kritisiert werden, dass Steinmeier möglicherweise das Neutralitätsgebot missachtet hat, weil allen klar ist, dass ihm die Wahlwerbung von Musk für Weidel und die AfD nicht passt.
Doch allein entscheidend: Steinmeier hätte verfassungsrechtlich überhaupt nicht die Macht, eine Bundestagswahl für ungültig erklären zu lassen. Das ist alles somit nur eine wirre Theorie. Der Faktencheck:
- Im Artikel 41 des Grundgesetzes heißt es: „(1) Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages. Er entscheidet auch, ob ein Abgeordneter des Bundestages die Mitgliedschaft verloren hat. (2) Gegen die Entscheidung des Bundestages ist die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig.“ Die Wahlprüfung ist also Sache des Parlaments – nicht die Aufgabe Steinmeiers.
- Laut Artikel 48 des Bundeswahlgesetzes kann jeder Wahlberechtigte einen begründeten Einspruch gegen das Wahlergebnis erheben.
- Der Wahlausschuss des Bundestages prüft diese Beschwerden laut Artikel 49 des Bundeswahlgesetzes. Beispielsweise, ob es Fehler bei der Auszählung gab, eine systematische Diskriminierung von Wählergruppen, Manipulationen, massive Störungen am Wahltag etc. Dann kann die Bundestagswahl in Teilen oder vollständig für ungültig erklärt werden. So gab es beispielsweise in Berlin im Februar 2024 eine Teil-Wahlwiederholung.
- Auch das Bundesverfassungsgericht kann laut Artikel 13 (3) des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes eine Wahl für ungültig erklären, wenn schwere Verstöße vorliegen.
Nochmal klipp und klar: Bundespräsident Steinmeier hat dabei keine prüfende oder aktive Rolle!
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Davon zu fantasieren, dass Frank-Walter Steinmeier als Staatsoberhaupt einen AfD-Wahlerfolg für ungültig erklären würde oder die parlamentarische Demokratie, die es in der Bundesrepublik seit 1949 gibt, durch einen Staatsstreich ausgehebelt könnte, ist eine Verleumdung und dient dazu, das Vertrauen in die institutionelle Ordnung des Staates zu schwächen.