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Ex-Wirtschaftsweiser rechnet mit Trump-Politik ab: „Alles, was er macht, wird dem Land schaden“

Trump erhebt neue Zölle und trifft die Autoindustrie bis ins Mark. Ein Kurs, der die Handelsmärkte verschieben kann, meint Peter Bofinger im Interview.

© IMAGO/ZUMA Press Wire

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Donald Trump regiert die Vereinigten Staaten von Amerika nach seinem eigenen Schema. Der Präsident legt keinen Wert auf wirtschaftliche Zusammenarbeit und möchte die heimische Industrie durch einen unilateralen Kurs stärken. Er hat bereits Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte verhängt, ab Mittwoch (2. April) tritt die nächste Zoll-Welle in Kraft.

Diesmal trifft es die Automobilindustrie – und somit „das Herzstück des deutschen Geschäftsmodells“, meint Peter Bofinger im Interview mit unserer Redaktion. Geplant ist eine Zusatzgebühr in Höhe von 25 Prozent. Der frühere Wirtschaftsweise von Angela Merkel sieht in der Trump-Politik aber auch eine „einzigartige Chance“.

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Herr Bofinger, am Mittwoch treten die von Trump angekündigten Autozölle in Höhe von 25 Prozent in Kraft. Worauf muss sich Deutschland vorbereiten?

Es trifft jetzt unsere Automobilindustrie und somit das Herzstück des deutschen Geschäftsmodells. Das war es zumindest in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Diese Industrie leidet aber nicht nur unter den US-Zöllen, sie leidet auch darunter, dass es die Cashcow China in dieser Form nicht mehr gibt. Die deutsche Automobilindustrie kann in China nicht mehr punkten, weil China uns sowohl in Sachen Digitalisierung als auch in Sachen Elektrifizierung weit voraus ist. Im Inland hat die Automobilindustrie auch noch gelitten, dadurch, dass der Umweltbonus abgeschafft wurde.

Wir haben einen perfekten Sturm für die Automobilindustrie, der negative Effekte für die Gesamtwirtschaft haben wird. Diese dürften sich aber in Grenzen halten. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft rechnet für die Einfuhrzölle aus den USA mit einem negativen Effekt auf die Wirtschaftsleistung von etwa 0,3 Prozent, der zum Teil auch in das Jahr 2026 hineinreichen dürfte.

Bofinger: Trump mit neuen Impulsen entgegenwirken

Die deutsche Wirtschaft hängt ohnehin in der Rezession fest. Zwar hat die künftige Koalition ein Milliardenpaket zugunsten der Infrastruktur verabschiedet, aber kann es Deutschland angesichts der Trump-Zölle überhaupt zeitnah aus der Rezession schaffen?

Ich denke, dass das Wachstumspaket eine riesige Chance ist. Es kommt jetzt darauf an, dass man die entsprechenden wirtschaftspolitischen Impulse setzt. Es gibt viele Stellschrauben, an denen man jetzt ansetzen kann. Ein wichtiger Punkt wäre zum Beispiel der Wohnungssektor. Der Wohnungsbau liegt brach und wir haben in den großen Städten ein riesiges Problem auf dem Wohnungsmarkt. Da gäbe es jetzt einen Hebel, mit einem umfassenden Programm zum sozialen Wohnungsbau die Binnennachfrage anzukurbeln.


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Ein zweiter Punkt wäre, den Umweltbonus beziehungsweise eine Prämie für Elektromobilität wieder einzuführen. Das sollte man am besten noch mit einem großflächigen Programm für Ladestationen garnieren. Der dritte Punkt wäre die Etablierung von großzügigen Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen. Das wäre eine große Unterstützung im Hinblick auf die Transformation. Das Beste wäre, wenn man eine 100-Prozent Abschreibung ermöglicht, wenn es um transformative Investitionen geht. Das könnte man alles relativ schnell umsetzen und somit in diesem Jahr noch Impulse setzen.

Wie lange dauert es denn, bis diese Impulse tatsächlich umgesetzt werden können? Die von Trump veranlassten Zölle werden sich im Absatz schließlich unmittelbar bemerkbar machen.

Wenn die Koalitionsverhandlungen bis Ostern beendet sein sollten und direkte Abschreibungserleichterungen ankündigt werden, dann ist das schnell umsetzbar. Im Wohnungssektor zum Beispiel gibt es viele freie Kapazitäten, die nicht genutzt werden. Und eine Prämie zu setzen, um den Kauf von E-Autos attraktiver zu machen, das geht auch ganz schnell.

US-Ultimatum: Große Unsicherheit in den USA

Die von Trump angekündigten Zölle werden nur für Unternehmen gelten, die nicht in den USA produzieren. Muss man Sorge haben, dass Audi, VW und Co. Deutschland den Rücken kehren?

Als Unternehmen wäre man schlecht beraten, wenn man sich bei dieser Konstellation dazu entscheiden würde, in den USA zu produzieren. Wenn ich Unternehmer wäre, würde ich zumindest erst einmal die nächsten zwölf Monate abwarten, was da noch alles aus den USA kommt. Nichts ist mehr Gift für Investoren als Unsicherheit. In den USA ist ja auch eine Rechtsunsicherheit gegeben, da sich Trump und seine Administration ja nicht mehr durch rechtliche Rahmenbedingungen gebunden sehen. Ich glaube nicht, dass Trump es schafft, ausländische Investoren mit seiner Art des Regierens in die USA zu locken.

Schneidet sich Trump mit seiner Politik in das eigene Fleisch?

Das Problem ist, dass Herr Trump eine völlig falsche Diagnose der amerikanischen Wirtschaft hat. Als er die US-Wirtschaft übernommen hat, stand sie ja super gut dar. Die amerikanische Wirtschaft ist vor allem in Hinblick auf die digitalen Technologien sehr gut aufgestellt. Joe Biden hat mit dem Inflation Reduction Act den Bereich der Erneuerbaren Energien, wo die USA bis dato nicht so gut waren, angekurbelt. Mit dem Chips Act hat er in großem Stil Investitionen in Halbleiter gefördert. Die Arbeitslosigkeit war auf einem absoluten Tiefstand. Auch die Inflation war bereits unter Kontrolle, als Trump Präsident wurde. Die Diagnose, dass Amerika kaputt ist und dass man die Nation wieder gesund machen muss, ist völlig verkehrt. Die USA waren gut aufgestellt und er [Trump] wird sie kaputtmachen.

Bofinger: US-Wirtschaft war nicht „krank“

Wenn ich einen gesunden Patienten habe und anfange, wild an ihm herumzudoktern, kann er nur krank werden. Die Diagnose steht auf dem Kopf und alles, was Trump macht, wird dem Land schaden. Die Zölle werden die Inflation wieder nach oben treiben. Die Notenbank wird die Zinsen nicht wie geplant senken können, was für die Investitionstätigkeiten insbesondere im Wohnungsbau schlecht ist. Das Einzige, was die USA im E-Automobilbereich anzubieten haben, ist Tesla. Da geht es gerade auch bergab.

Zahlreiche Wissenschaftler verlassen das Land und für uns in Deutschland ist das eine super Chance, in den Bereichen, in denen wir nicht so gut sind, Geld in die Hand zu nehmen, um jene Köpfe zu uns zu holen. Das gilt beispielsweise für die Bereiche Künstliche Intelligenz oder die Medizintechnologie. Union und SPD sollten aus dem milliardenschweren Finanzpaket jetzt Geld in die Hand nehmen und es den Universitäten zur Verfügung stellen, um erstklassige Wissenschaftler aus den USA für sich gewinnen zu können. Auch das könnte schnell umgesetzt werden. Für eine Milliarde Euro pro Jahr bekomme ich 1.000 erstklassige Wissenschaftler.

Die Zölle treffen auch Kanada und China schwer. Kann die Politik von Trump zu einer Art Umbruch in der globalisierten Welt führen?

Ich glaube, dass die Länder, die Trump jetzt alle straft, enger zusammenwachsen werden. In Europa wird man stärker versuchen, mit Lateinamerika zusammenzuarbeiten und Handelsabkommen mit Kanada zu schließen. Selbst die Chinesen sind auf einmal attraktiver als die USA. Man wird also auch die Beziehungen zu China intensivieren wollen. Trump schweißt den Rest der Welt zusammen, was wiederum auch positive Effekte für uns haben kann. Das, was er macht, ist wirklich selbstzerstörerisch. Wir alle wissen, dass Außenhandel Wohlfahrt bringt und dass es den Wohlstand der Menschen verbessert. Mit den Zöllen schädigt Trump letztlich die amerikanischen Verbraucher.

Neue Impulse dank Finanzpaket möglich

Wie kann die Bundesregierung mit dem milliardenschweren Paket zugunsten der Infrastruktur der Trump-Politik am effizientesten Entgegensteuern?

Wichtig ist, dass Union und SPD eine umfassende Strategie für die nächsten zehn Jahre entwickeln. Dafür wäre es erforderlich, eine umfassende Stärken-Schwächen-Analyse für die deutsche Wirtschaft vorzunehmen. Diese müsste gemeinsam von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft erarbeitet werden. Auf diese Weise könnte man dann herausfinden, wie man das deutsche Geschäftsmodell, das heute zu stark vom Automobilsektor geprägt ist, so transformieren kann, dass wir uns auf den hart umkämpften globalen Märkten auch in Zukunft behaupten können.  

Damit hätte man eine gute Grundlage für die staatliche Förderung und Priorisierung von Zukunftstechnologien. Ich denke da an die Künstliche Intelligenz, Quantencomputer, Drohnen, Robotik oder Satellitentechnologie. Und diese Bereiche könnte man sogar mit den Mitteln fördern, die man im Verteidigungshaushalt hat, für die es ja keine Obergrenze gibt. Die größte Gefahr des Schuldenpakets besteht darin, dass sich die Regierung im Klein-Klein verliert und das Gesamtbild fehlt.