Am 23. Februar entscheidet sich die Zukunft des BSW. Das Bündnis droht an der Sperrklausel zu scheitern. Parteichefin Sahra Wagenknecht hat ihre persönliche Zukunft an das Schicksal der Partei geknüpft. „Wenn man nicht im Bundestag ist, dann ist man kein Faktor mehr in der deutschen Politik. Das ist völlig klar und gilt auch für mich“, meint sie im Interview mit unserer Redaktion.
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Ihr größter politischer Gegner ist derzeit die Fünf-Prozent-Hürde. Was stimmt sie optimistisch, dass das BSW im kommenden Bundestag vertreten sein wird?
Sahra Wagenknecht: Ich erlebe in diesem Wahlkampf, wie viele Menschen Hoffnungen in uns setzen. Die Umfragen sind unterschiedlich, in einigen stehen wir stabil über fünf Prozent. Das Wichtigste ist, dass sich die Wähler nicht verunsichern lassen. Es ist bekannt, dass mit Umfragen nicht nur Wahlergebnisse prognostiziert werden, es werden mit ihnen auch Wahlergebnisse gemacht. Etwa dadurch, dass man für eine Partei, die man gerne aus dem Bundestag drängen möchte, Werte unter 5 Prozent ins Schaufenster stellt. Ich bin sicher: Wenn alle, die uns unterstützen wollen und die uns mögen, sich dadurch nicht verunsichern lassen und uns tatsächlich auch ihre Stimme geben, werden wir in den Bundestag einziehen.
Sahra Wagenknecht sieht mediale Unterstützung für die Linkspartei
Sie haben ihr persönliches Schicksal an das Abschneiden des BSW geknüpft. Wie geht es denn mit ihnen weiter, wenn es das BSW nicht schafft?
Sahra Wagenknecht: Wenn man nicht im Bundestag ist, dann ist man kein Faktor mehr in der deutschen Politik. Das ist völlig klar und gilt auch für mich. Aber ich denke darüber gar nicht nach, weil ich sehr zuversichtlich bin. Es braucht das BSW. Wir sind die einzige konsequente Friedenspartei in Deutschland. Wir sind die einzige Partei, die die Forderung nach mehr Gerechtigkeit, nach echten Aufstiegschancen, höheren Renten und einem Ende der Zweiklassen-Medizin, mit der Forderung, die Migration zu begrenzen, verbindet.
Ein starker Sozialstaat und unbegrenzte Zuwanderung sind nicht miteinander vereinbar. Anders als die alten Parteien haben wir Konzepte für eine Senkung der Energiepreise. Das ist der Schlüssel dafür, dass unsere Wirtschaft nicht weiter abschmiert und wir unsere Industrie im Land behalten. Die alten Parteien haben unser Land in den Niedergang geführt. Sie werden die vielen Probleme, die die Menschen belasten, nicht lösen.
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Die Partei der Stunden ist – laut den Umfragen – die Linkspartei. Manche Institute sehen sie sogar bei sieben Prozent. Inwiefern tangiert es sie, dass ihre Ex-Partei das BSW derart überholt hat?
Sahra Wagenknecht: Der plötzliche Aufstieg der Linken in den sozialen Medien seit Mitte Januar hat sicher viel mit der Unterstützung durch das Kampagnennetzwerk Campact zu tun, das aktuell massiv für die Linke wirbt. Die Linke ist jetzt eine Adresse für ein großstädtisches akademisches Milieu, vielfach Menschen, die sonst vielleicht die Grünen gewählt hätten, denen Habeck aber zu konservativ ist. Bemerkenswert ist auch, wie positiv seit einiger Zeit in den deutschen Leitmedien über die Linke berichtet wird, während wir seit Herbst letzten Jahres eine richtige Negativkampagne erleben.
Das hat vielleicht damit zu tun, dass man lieber eine pflegeleichte Opposition im Bundestag haben möchte als eine Partei, die insbesondere als Stimme gegen ein neues Wettrüsten und die wachsende Kriegsgefahr Rückgrat bewiesen hat. Gerade wenn ich mir die aktuellen Debatten um neue Waffenpakete und womöglich sogar deutsche Soldaten in der Ukraine anschauen, dann braucht es im Bundestag dringend wenigstens eine Kraft, die dem konsequent widerspricht.
USA: „Donald Trump ist kein Friedensengel“
Sie bezeichnen sich als die einzige konsequente Friedenspartei und forcieren Verhandlungen mit Russland. Mit seinem Vorstoß ist Donald Trump ihnen dazwischen gegrätscht und hat die Europäische Union in Sachen Verhandlungsgespräche vehement ausgeladen. Wie bewerten sie die Situation?
Sahra Wagenknecht: Die Europäer haben sich völlig ins Aus manövriert, indem sie immer nur auf Waffenlieferungen gesetzt haben. Wir haben seit langem gesagt, dass der Ukraine-Krieg nur auf dem Verhandlungsweg beendet werden kann. Nicht durch immer mehr Waffen. Deswegen haben wir dafür geworben, dass die europäischen Länder endlich einen realistischen Friedensplan vorlegen und Russland ein Verhandlungsangebot machen. Uns wurde immer entgegengehalten, dass man mit Putin nicht verhandeln kann und er auch nicht verhandeln will. Jetzt hat Donald Trump genau so ein Angebot gemacht und es gibt Verhandlungen. Endlich!
Jetzt gibt es einen riesigen Katzenjammer in den europäischen Hauptstädten, weil sie nicht am Tisch sitzen. Aber sie hätten diesen Weg ja viel früher selbst gehen können. Sie hätten Joe Biden auffordern können, den Trump-Weg einzuschlagen. Stattdessen haben wir immer nur auf Waffen gesetzt und zugeschaut, wie in diesem schrecklichen Krieg täglich hunderte junger Männer ihr Leben verlieren und das Land immer mehr zerstört wird. Wir haben viele Milliarden an Steuergeld verbrannt, die wir im Land gebraucht hätten. Und die Bundesregierung will offenbar immer noch daran festhalten. Wir brauchen aber in Europa nicht immer mehr Waffen und Raketen, sondern endlich einmal wieder Gespräche über vertrauensbildende Maßnahmen, Rüstungskontrolle und Abrüstung. Sonst wächst die Gefahr, dass ein bloßes Missverständnis irgendwann einen verheerenden Atomkrieg auslösen könnte.
Donald Trump ist ganz sicher kein Friedensengel. Er will diesen Stellvertreterkrieg beenden, weil er ihm zu teuer geworden ist und er sich auf andere Konflikte konzentrieren will. Beispielsweise die Auseinandersetzung mit China oder auch seine imperialistischen Ziele gegenüber Grönland oder Panama. Umso mehr brauchen wir eine Bundesregierung, die sich für Frieden und Diplomatie einsetzt und unser durch drei Jahre Baerbock arg lädiertes Ansehen in der Welt wiederherstellt. Man sollte in den vielen Konflikten, die es gibt, eine vermittelnde Rolle einnehmen und sich nicht aggressiv auf eine Seite stellen und immer mehr Waffen an Kriegsparteien liefern.
Hat Donald Trump ihnen damit nicht das Kernthema ihres Wahlkampfes – Frieden in der Ukraine – entzogen?
Sahra Wagenknecht: Unser Kernthema ist, dass die vielen Konflikte auf unserer Welt durch diplomatische Bemühungen gelöst werden müssen und nicht mit Waffengewalt. Das ist leider nicht der Weg, den Donald Trump geht. Seine Pläne für den Gazastreifen etwa sind grauenhaft und menschenverachtend. Er will zwei Millionen Palästinenser aus ihrer Heimat vertreiben, um ein Eldorado für amerikanische Immobilienkonzerne und Ferienressorts zu schaffen. So wird es in der Region nie Frieden geben.
Ich hoffe, dass es in der Ukraine einen Waffenstillstand und einen Friedensvertrag gibt. Aber wenn ich jetzt höre, dass Europa ein 700 Milliarden Euro teures Waffenpaket zur Aufrüstung Europas und der Ukraine auf den Weg bringen will, das nach der Bundestagswahl beschlossen werden soll, dann dämpft das meinen Optimismus. Der neue NATO-Generalsekretär fordert offen, wir müssten uns auf Krieg vorbereiten. Was für ein Wahnsinn! Wir müssen verteidigungsfähig sein, aber zugleich alles tun, dass es nie zu einem Krieg mit der Atommacht Russland kommt. Wenn dagegen deutsche Soldaten an der russisch-ukrainischen Grenze stehen, und es kommt zum erneuten Aufflammen der Kämpfe, dann sind wir direkt im Krieg.
US-Vizepräsident Vance hat uns auf der Münchener Sicherheitskonferenz zudem – mehr oder weniger – die Demokratie abgesprochen. Was bedeutet diese Entwicklung für die transatlantischen Beziehungen?
Sahra Wagenknecht: Vance Kritik an einer zunehmenden Einschränkung der Meinungsfreiheit und autoritären Tendenzen in vielen europäischen Ländern, auch in Deutschland, ist ja nicht falsch. Allerdings sollten wir endlich begreifen: Die USA haben andere Interessen als wir und wir sind schlecht beraten, wenn wir uns unterwürfig immer an den Ansagen aus Washington orientieren. Das war schon unter Biden so. Auch Joe Biden hat in Sachen Wirtschaftspolitik ein klares Programm vertreten: Er wollte industrielle Wertschöpfung zurück in die USA verlagern. Auch und vor allem zulasten Europas.
Donald Trump intensiviert diesen Kurs. Er hat bereits Stahlzölle verhängt und er will auch hohe Zölle auf Autoeinfuhren. Das richtet sich direkt gegen unsere Industrie. Wir brauchen den Handel mit den USA. Aber wenn die USA einen Handelskrieg gegen uns führen, wären wir sehr schlecht beraten, jetzt auch noch unsere Handelsbeziehungen zu den BRICS-Staaten durch Sanktionen zu erschweren. Wir sind ein Rohstoff-armes, Export-starkes Land. Unsere Maxime muss es sein, faire Handelsbeziehungen mit so vielen Ländern wie möglich zu pflegen. Wir müssen unsere Interessen selbstbewusst vertreten und uns nicht mehr dem unterwerfen, was Washington sagt.